EU-KommissionVon der Leyen II. droht ein Fehlstart

EU-Kommission / Von der Leyen II. droht ein Fehlstart
Ohne Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verfügt die konservative Kommissionschefin nicht über die nötige Mehrheit im Parlament Foto: AFP/Nicolas Tucat

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Chefin der EU-Kommission hat Probleme mit ihrem Team für die zweite Amtszeit. Erst gab es Streit über die Gender-Balance, dann wackelte der Zeitplan. Nun begehren auch noch die Sozialdemokraten auf – sie drohen, der CDU-Frau die Unterstützung zu entziehen.

Der 11. September war rot im Brüsseler EU-Kalender angestrichen: An diesem Tag wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr neues Team vorstellen. Doch daraus wurde nichts. Wegen Streitigkeiten über die Gender-Balance und den Aufgaben-Zuschnitt unter den 26 Kommissaren musste der Start auf den 17. September (Dienstag) verschoben werden. Nun meutern auch noch die Sozialdemokraten – von der Leyen II. droht ein Fehlstart.

Die CDU-Politikerin an der Spitze der 32.000-köpfigen Brüsseler Behörde laufe Gefahr, „die Unterstützung der Progressiven zu verlieren“, heißt es in einem Brandbrief von Iratxe García Pérez, der Chefin der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Die Spanierin nennt gleich mehrere Gründe: Von der Leyen habe ihren Spitzenkandidaten Nicolas Schmit ignoriert und die Geschlechterbalance in der Kommission unterminiert.

Außerdem wolle sie einen Beschäftigungskommissar einsetzen, der sich kaum für soziale Rechte interessiert – und die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in die europäische Gesetzgebung einbinden. Aus Sicht der EU-Genossen wäre dies ein Verstoß gegen die „Brandmauer“ gegen Rechts, die bei von der Leyens Wiederwahl im Juli vereinbart worden war.

Der Konsens bröckelt, noch bevor die Arbeit richtig begonnen hat – kein gutes Zeichen für die neue, fünfjährige Legislatur. Denn ohne Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verfügt die konservative Kommissionschefin nicht über die nötige Mehrheit im Parlament.

Immerhin hat von der Leyen noch ein paar Tage Zeit, um die Wogen zu glätten. Denn in Slowenien muss die Kandidatin für die EU-Kommission noch vom Parlament bestätigt werden. Diese Zwangspause nutzt die deutsche EU-Politikerin, um ihre Aufstellung nachzubessern.

Nachbesserungen

So gibt es Bewegung in der Frauenfrage. Nachdem es zunächst so aussah, als werde die neue EU-Kommission von Männern dominiert, steht es nun elf zu 16: Belgien und andere EU-Staaten haben doch noch Frauen nominiert. Auch beim Zuschnitt der Portfolios und der Vergabe der Posten tut sich was. Das aktive Lobbying in Brüssel, an dem sich auch die deutschen Grünen beteiligen, zeigt Wirkung.

So soll der Klimaschutz nun doch eine prominentere Rolle spielen als zunächst geplant. Auch die Industriepolitik wird wohl aufgewertet, nachdem der frühere EZB-Präsident Mario Draghi am Montag einen alarmierenden Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt hatte. Sie werde Draghis Ideen in die Aufgabenbeschreibungen („Mission letter“) für ihre Kommissare aufnehmen, so von der Leyen.

Noch nicht entschärft ist der Streit über Personen und Profile. Für Aufregung sorgt vor allem die Aussicht, dass mit Raffaele Fitto erstmals ein Rechtspopulist ein Spitzenamt in Brüssel erhalten könnte. Fitto gehört zur postfaschistischen Partei „Brüder Italiens“ von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, er soll geschäftsführender Vizepräsident werden und sich um die Wirtschaft kümmern.

Umstritten sind auch die Kandidaten aus Ungarn, Malta und Kroatien. Alle angehenden Kommissare müssen sich ab Mitte Oktober den gefürchteten Anhörungen im Europaparlament stellen. Die EU-Abgeordneten haben dabei schon einige ungeeignete Bewerber ausgesiebt. Am Ende – voraussichtlich im November – wird noch einmal über die gesamte Kommission von der Leyen II. abgestimmt. Der Ausgang ist noch völlig offen.