LeichtathletikVon Rückschlägen zu Rekorden – Sprinterin Patrizia van der Weken nach ihrem neuen Landesrekord über 100 Meter

Leichtathletik / Von Rückschlägen zu Rekorden – Sprinterin Patrizia van der Weken nach ihrem neuen Landesrekord über 100 Meter
Patrizia van der Weken (r.) will bald schon die Marke von 11.50 Sekunden unterbieten Archivbild: Gerry Schmit

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Bei der U23-EM in Tallinn konnte Sprinterin Patrizia van der Weken in der vergangenen Woche ihren zwei Jahre alten Landesrekord um zwei Hundertstel unterbieten – von 11.52 auf 11.50 Sekunden. Dabei hatte die 21-Jährige in den letzten beiden Jahren auch einige Rückschläge zu verkraften. Aus diesen Erfahrungen will die junge Athletin lernen und träumt von den Olympischen Spielen 2024, wie sie im Gespräch mit dem Tageblatt verrät.

Tageblatt: Bei der U23-EM in Talinn konnten Sie in der letzten Woche Ihren Landesrekord über 100 Meter, den sie vor zwei Jahren aufgestellt hatten, unterbieten. Kam dies für Sie eigentlich überraschend?

Patrizia van der Weken: Geplant war es schon in diesem Jahr, eine neue persönliche Bestzeit, somit auch einen neuen Landesrekord, zu laufen. Die letzte Saison lief nämlich nicht wie erhofft, es hat einfach nicht alles zusammengepasst. Doch in den letzten Monaten habe ich beim Training gemerkt, dass es nur eine Frage der Zeit und der Bedingungen ist, bis mir das gelingen würde.

Ein so stark besetztes Teilnehmerfeld wie bei einer EM dürfte da bestimmt auch noch einmal zusätzlich motivieren und die eine oder andere Hundertstel möglich machen …

Um ehrlich zu sein, stresst mich so ein großer Wettbewerb eigentlich schon immer ein wenig. Vor allem in diesem Jahr war das Niveau bei der EM so hoch wie noch nie, denn es waren nicht nur einige wenige Athletinnen am Start, die international besser klassiert sind. Mir war bewusst, dass ich schon im Vorlauf sehr stark sein musste, um mich direkt für das Halbfinale zu qualifizieren, denn über die Zeit wäre es nicht einfach geworden. Da spürt man schon einen größeren Druck. In Talinn kam dann noch hinzu, dass es vor meinem Vorlauf so stark geregnet hat, dass man im Callroom erfährt, dass alles um eine Stunde nach hinten verschoben wurde. Da fängt man dann mit dem Aufwärmen wieder von vorne an, da darf man dann den Kopf nicht verlieren.

Ab einem gewissen Level ist jede Hundertstel im Sprint, die man schneller läuft, hart erarbeitet. Welche Details haben bei Ihrem Landesrekord-Rennen in Tallinn den Unterschied gemacht?

An meinen Lauf kann ich mich eigentich gar nicht mehr richtig erinnern. Da hat man eher einen Tunnelblick, kriegt von dem ganzen Drumherum gar nichts mit. Man versucht einfach nur das, was man im Training einstudiert hat, abzurufen. Natürlich muss für so einen Rekord auch alles perfekt passen. Man darf sich keine großen Fehler erlauben und auch die äußeren Bedingungen sind entscheidend: Rückenwind – natürlich nicht mehr als 2 Meter pro Sekunde –, kein Regen, warme Temperaturen. Dabei muss natürlich auch die Form stimmen.

11.50 ist super, aber gerne hätte ich auch noch eine Hundertstel mehr geschafft

Patrizia van der Weken, über ihren neuen Landesrekord

Ist mit 11.50 Sekunden nun eine wichtige Marke, sozusagen ein Meilenstein, erreicht?

Gerne wäre ich eine Zeit unter 11.50 Sekunden gelaufen. Vor zwei Jahren, als ich mit 11.52 einen neuen Landesrekord aufgestellt hatte, wollte ich das eigentlich so schnell wie möglich erreichen. 11.50 ist super, aber gerne hätte ich auch noch eine Hundertstel mehr geschafft. Man setzt sich eigentlich oft so runde Zeiten als Ziel. Als ich jünger war, waren es zuerst 13, dann 12, dann 11.50. Das sind meist auch Normen, die man für internationale Meisterschaften erreichen muss. In Tallinn wäre ich im Halbfinale eigentlich noch gerne ein Stück schneller gewesen, da die Strecke im Vorlauf noch ein wenig nass war. Das ist mir mit 11.52 aber leider nicht gelungen.

In Tallinn haben Sie nicht nur einen neuen Rekord aufgestellt, Sie haben auch den Einzug ins Finale geschafft. Welchen Stellenwert hat dies eigentlich für Sie?

Ein Finaleinzug ist einfach mega, ich bin sehr froh, dass mir das gelungen ist. Ich hatte 2019 bereits die Chance, an einer U23-EM teilzunehmen. Damals besuchte ich jedoch die „Première“ und die Vorbereitung war somit nicht optimal. Dennoch habe ich das Finale um gerade mal zwei Plätze verpasst. Ich hatte mir wirklich in den Kopf gesetzt, das beim nächsten Mal zu schaffen.

Wie wichtig ist überhaupt eine Teilnahme an solchen Jugend-Europameisterschaften?

Sie sind ein wichtiger Erfahrungswert, das ist vor allem in den Jugendjahren von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Ich persönlich hatte die Chance, dass ich an vielen starten durfte. Man lernt wirklich, den Kopf nicht zu verlieren. Bei der U18 gelang mir auch schon einmal ein Finaleinzug, damals kam das sehr überraschend, weil ich die komplette Saison über gar nicht wirklich schnell gelaufen war. Das war ein ganz schöner Moment, der auch motiviert hat, weiterzumachen.

Das klingt, als wäre es nicht immer einfach, die Motivation hoch zu halten …

Leichtathletik ist eine sehr schwere Sportart, bei der man sehr häufig auf sich alleine gestellt ist. Man läuft alleine auf der Bahn, trainiert alleine. Das kann vor allem in Phasen, in denen es nicht so gut läuft, die Zeiten nicht stimmen, sehr hart sein. Ich sage immer, dass die Zeit dein Freund, aber auch dein Feind ist. Doch für mich ist es dennoch die schönste Sportart.

Sie hatten sich Ende 2019 am Knöchel verletzt, danach folgte die Corona-Pandemie. Wie schwer war es für Sie, danach wieder in den Wettbewerbsmodus zu finden?

Meine Reha konnte ich damals noch normal absolvieren. Ich hatte die Hallensaison verpasst, mir die Sommersaison dann aber als Ziel gesetzt. Als ich an dem Punkt ankam, dass ich wieder quasi ohne Probleme laufen und sprinten konnte, somit auf einem guten Weg war, kam die Corona-Pandemie. Wir waren zu diesem Zeitpunkt gerade in einem Trainingslager in der Türkei, schafften es aber noch zurück, bevor die Grenzen komplett zu waren. Doch dann ohne Kraftraum, ohne Bahn weiter zu trainieren, war nicht einfach. Die kurze Saison im Sommer startete zwar gut, entwickelte sich dann aber zur Katastrophe. Doch ich habe dennoch viel gelernt, in dieser Zeit viel an meiner Technik gearbeitet, etwas, das ich sonst vielleicht nicht in dem Maße geschafft hätte. Im Nachhinein denke ich, dass ich in dem Jahr eine stabile Basis schaffen konnte, was mir jetzt sehr weiterhilft.

Ich sage immer, dass die Zeit dein Freund, aber auch dein Feind ist

Patrizia van der Weken, über die Schwierigkeiten der Leichathletik

Und auch 2021 war zuerst von Höhen und Tiefen geprägt …

Das CMCM-Meeting war ech blöd gelaufen (Van der Weken hatte bei einer Konkurrentin einen Fehlstart gesehen, lief deswegen nicht weiter und wurde dadurch disqualifiziert, Anm. d. Red.). Meine Hallensaison war im Großen und Ganzen eh nicht sehr gut. Ich hatte ein, zwei schlechte Wettkämpfe und habe mir dann irgendwann zu viele Gedanken gemacht, das hat mich wohl auch die Saison gekostet. Vor dem CMCM-Meeting war ich dann auch noch krank, es kam irgendwie alles zusammen. So etwas wie da wird mir jedoch nicht noch einmal passieren. Ich sehe das jetzt auch als Erfahrungswert an. Schade war es schon, denn ich laufe dieses Meeting wirklich gerne, doch es wird ja hoffentlich nicht das letzte Mal gewesen sein.

Wie sehen denn Ihre Ziele für die kommenden Monate aus?

Ich muss jetzt einmal den Sprung in den Seniors-Bereich richtig schaffen, da wird auch mehr verlangt. In den nächsten Jahren 11.30 Sekunden zu schaffen, wäre gut. Wenn zum Höhepunkt der Form auch bei einem Wettbewerb die Bedingungen stimmen, könnte von der Entwicklung her auch eine 11.00 möglich sein. Aber bis dahin ist es noch ein sehr hartes Stück Arbeit.

In der kommenden Woche starten die Olympischen Sommerspiele. Wie realistisch ist es für Sie als Sprinterin, auch einmal an diesem Höhepunkt teilnehmen zu können?

Ich habe mir Paris 2024 als Ziel gesetzt, unrealistisch ist eine Teilnahme jedenfalls nicht. Tokio wäre sehr knapp geworden, dafür hatte ich auch nicht die Möglichkeit, genügend Punkte zu sammeln. Im Endeffekt ist es auch nicht schlimm, ich bin erst 21 und kann jetzt schon gezielt auf Paris hinarbeiten.

Ein Athlet bei der U20-EM

Mit einem luxemburgischen Sportler startet heute die U20-EM, die ebenfalls in Talinn ausgetragen wird. Vivien Henz wird für die FLA über 1.500 Meter an den Start gehen. Der 2004 geborene Athlet, der nah an der Norm dran war, hat für die EM vom Verband eine Wildcard erhalten. Eigentlich hätte Henz an der abgesagten U18-EM sein internationales Debüt feiern sollen. Für ihn wird es vor allem darum gehen, Erfahrung zu sammeln. Die Vorläufe finden am Donnerstag ab 15 Uhr statt.