GroßbritannienVorzeitige Massenentlassung von Häftlingen – Gefängniskrise erzwingt Freisetzung von 1.700 Straftätern

Großbritannien / Vorzeitige Massenentlassung von Häftlingen – Gefängniskrise erzwingt Freisetzung von 1.700 Straftätern
Die gewalttätigen Ausschreitungen im August, bei denen in vielen britischen Städten über Tage hinweg rechtsextreme Randalierer Moscheen, Asylunterkünfte und die Polizei angegriffen hatten, haben die Knast-Krise verschärft Foto: AFP/Darren Staples

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Britische Gefängnisse sind völlig überfüllt. Am letzten Wochenende gab es im gesamten System nur noch ein paar hundert freie Plätze.

Die Krise in den Strafanstalten ließ der neuen Labour-Regierung am Dienstag keine andere Wahl: In England und Wales begann eine vorzeitige Entlassung von Häftlingen. Rund 1.700 Straftäter, die 40 Prozent ihrer Haft abgesessen hatten, wurden auf freien Fuß gesetzt. Der Schritt stieß auf heftige Kritik. Doch andernfalls, so hatte die Justizministerin Shabana Mahmood gewarnt, drohe „ein totaler Kollaps unseres Strafjustizsystems“, weil die Gerichte keine Straftäter mehr einsperren könnten.

Die gewalttätigen Ausschreitungen im August, bei denen in vielen britischen Städten über Tage hinweg rechtsextreme Randalierer Moscheen, Asylunterkünfte und die Polizei angegriffen hatten, haben die Knast-Krise verschärft. Denn um die Krawalle zu stoppen, ging die Justiz mit voller Härte vor und verurteilte Randalierer in Eilverfahren zu empfindlichen Freiheitsstrafen. Rund 200 Personen wurden bisher verurteilt, weitere Verfahren werden folgen, was die Platznot erhöhen wird.

Doch schon vorher waren die Gefängnisse voll. Das Problem ist hausgemacht. Obwohl Prognosen des Justizministeriums einen Zuwachs der Gefängnispopulation auf 94.400 bis zum Frühjahr 2025 vorhergesagt hatten, kam der Staat mit dem Bau von neuen Gefängnissen nicht nach. Zurzeit gibt es in England und Wales nur knapp 89.000 Gefängnisplätze. Oft müssen daher Notfallmaßnahmen greifen. Im Frühjahr letzten Jahres wurden per Eilerlass 400 Polizeizellen für verurteilte Verbrecher requiriert. Im letzten Oktober wies Lord Justice Edis, der Oberste Gerichtspräsident für England und Wales, die Gerichte des Landes an, Urteilsverkündungen mit Strafzumessung vorerst auszusetzen.

Auch wurden die Zellen in den Amtsgerichten für die Unterbringung von Straftäter herangezogen. Die Situation hat es sicherlich nicht besser gemacht, dass die Vorgängerregierung das Strafmaß bei vielen Vergehen drastisch erhöht hat. Heute ist die durchschnittliche Freiheitsstrafe um 44 Prozent länger, als sie es bei Amtsantritt der konservativen Regierung 2010 war.

40 Prozent ihrer Haft abgesessen

Martin Jones, der Chefinspektor der Bewährungshilfe, hatte gewarnt, dass Minister „die Würfel rollen“ würden, weil bei der Massenentlassung „unvermeidlich etwas schiefgehen“ werde. Zum einen sei die Bewährungshilfe, weil unterfinanziert und personell unterbesetzt, in vielen Fällen nicht in der Lage, den entlassenen Straftätern effektiv zur Seite zu stehen. Zum anderen seien die Häftlinge durch den vorgezogenen Entlassungstermin nicht hinreichend vorbereitet, wenn sie keinen Job, kein soziales Umfeld oder keine Wohnung haben, zu denen sie zurückkehren können. Tatsächlich wird es für viele Häftlinge traurige Realität sein, vom Gefängnis auf die Straße entlassen zu werden. Das ist schlicht kontraproduktiv, denn Obdachlosigkeit, so zeigen Studien, erhöht das Rückfallrisiko um 50 Prozent.

Schwerststraftäter wie Terroristen, Mörder oder Vergewaltiger sind von der vorzeitigen Entlassung ausgenommen. Auch Personen, die wegen häuslicher Gewalt einsitzen, sollen wie bisher mindestens die Hälfte statt nur 40 Prozent ihrer Strafe verbüßen, versicherte die Justizministerin. Doch es scheint hier Schlupflöcher und Ausnahmeregeln zu geben, wie Hilfsorganisationen melden, die von häuslichen Gewalttätern wissen, die entlassen werden. Auch wurde beklagt, dass viele Opfer nicht unterrichtet wurden, dass Straftäter wieder auf freiem Fuß sind.

JJ
13. September 2024 - 9.09

Münchhausen lässt grüßen. Das ist eine " licence to kill" für die bösen Jungs in England. Also kleine Delikte kann ich mir erlauben denn ich komme nicht ins Gefängnis. "Eran-eraus....an elo" ? Resozialisierung im Crashkurs.