LuxemburgWarum der Vergleich der radikalen Impfgegner mit dem Judenstern eine Unverschämtheit ist

Luxemburg / Warum der Vergleich der radikalen Impfgegner mit dem Judenstern eine Unverschämtheit ist
Auf dem Sockel der „Gëlle Fra“ wurde später ein Banner mit Nazi-Vergleich hochgezogen – wir reproduzieren das Bild an dieser Stelle nicht Foto: Editpress/Claude Lenert

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QR-Code ist gleich Judenstern. Das war auf einem Banner zu sehen, das am Samstag von radikalen Impfgegnern und Rechtsextremen am Mahnmal der „Gëlle Fra“ befestigt wurde. Ein perfider Vergleich, der keiner rationalen Argumentation standhält: Ein Experte erklärt, warum das so ist.

Nun haben sie es also doch geschafft. Mit einer aus dem Playbook der rechtsextremen Szene entnommenen Aktion haben radikale Impfgegner ihre Masken fallen lassen – hätte sie denn welche aufgehabt. Auf dem Sockel der „Gëlle Fra“ hängen einige Demonstranten ein Banner auf, das den QR-Code eines Impfzertifikates mit dem Judenstern aus der Zeit des Nationalsozialismus* gleichsetzt. Auch der Ort ist nicht zufällig gewählt: Die „Gëlle Fra“, ein Mahnmal, das an die Gefallenen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie dem Koreakrieg und an die Spanienkämpfer erinnert, steht wie keine andere Gedenkstätte für Luxemburgs Freiheit und Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Warum dieser Vergleich perfide ist, soll die folgende Dekonstruktion zeigen.

Der Judenstern steht wie kein anderes Symbol für die Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden unter dem Nationalsozialismus. Ab einem Alter von sechs Jahren mussten die Juden unter nationalsozialistischer Herrschaft den Judenstern tragen. Die jüdische Bevölkerung wurde durch den Judenstern stigmatisiert. Sie war Übergriffen der Mehrheitsgesellschaft dadurch ausgesetzt, so die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.

„Nicht akzeptabler Vergleich“

Frank Schroeder, Direktionsbeauftrager des Luxemburger Resistenz- und Menschenrechtsmuseums, erklärt im Tageblatt-Gespräch, warum der Vergleich inakzeptabel ist. „Sie vergleichen die Einschränkungen, die sie hinnehmen müssen, mit dem größten Völkermord, den es auf der Welt gegeben hat“, sagt Schroeder. „Das ist eine Form von Negationismus.“ Unter Negationismus versteht man allgemein die Leugnung eines Völkermordes – im vorliegenden Beispiel also die Leugnung des Holocaust. Schroeder sagt weiterhin, dass kein Impfgegner wegen seiner Überzeugung eingesperrt oder umgebracht worden sei. „Im Nationalsozialismus wurden hingegen sechs Millionen exterminiert.“

Auch würden sich einige Verschwörungstheoretiker selbst widersprechen. „Deren Aussagen zufolge sind es ja die Geimpften, die irgendwann alle sterben“, sagt Schroeder. Er hofft darauf, dass sich die Staatsanwaltschaft die Vergleiche genauer ansieht. Historische Geschehnisse würden von einer Gruppe instrumentalisiert, jedoch „funktioniert der historische Vergleich nicht“. Dabei gehe es nicht nur um den Vergleich mit dem Judenstern. Schroeder habe auch Bilder gesehen, auf denen die Regierung mit der SS, der Schutzstaffel, verglichen wurde. Zur Erinnerung: Die SS wurde als Hitlers persönliche Leibgarde gegründet. Später erlangte sie Kontrolle über das Polizeiwesen und hatte mit der Waffen-SS auch eine militärische Funktion. Ab 1934 war die SS im  nationalsozialistischen Deutschland für die Verwaltung der Konzentrations- und Vernichtungslager zuständig und an der Planung sowie Durchführung des Holocaust beteiligt. In der SS verschmolzen auch teilweise staatliche Funktionen mit parteiinternen Strukturen der NSDAP – eine ähnliche Institution existiert überhaupt nicht in Luxemburg.

Die „Fondation luxembourgeoise pour la Mémoire de la Shoah“ hat in einer Pressemitteilung ebenfalls die Geschehnisse vom Samstag verurteilt. „Wir verurteilen aufs Schärfste die Verweise auf die Nazizeit und die Verwendung des Judensterns bei dieser Demonstration“, schreibt die Stiftung. Man wolle daran erinnern, dass das Nazi-Regime den Judenstern zur rassistischen Verfolgung einsetzte, die darauf abzielte, ein ganzes Volk auszulöschen. „Die Verwendung dieser Symbole trägt bewusst zur Verharmlosung des Holocaust bei, und eine solche Verdrehung der Vergangenheit führt zu einer Verfälschung der Geschichte.“

Kein Gefühl für Demokratie

„Die Menschen haben kein Gefühl mehr für Demokratie“, bedauert Schroeder. Man könne nicht vor dem Haus einer Privatperson demonstrieren, weil sie in ihrer Funktion als Minister unbequeme Entscheidungen treffe. „Da bewegen wir uns nicht mehr in einer demokratischen Optik“, sagt Schroeder. Jeder habe das Recht, seine Meinung kundzutun und zu demonstrieren. Wenn aber eine Privatperson angefeindet werde, gehe das zu weit. „Jeder Vergleich in dem Kontext ist absolut daneben.“

Ein wichtiges Element im vorliegenden Vergleich ist auch die Entscheidungsfreiheit. Sie war im Vergleich zur aktuellen politischen Epoche der Imfgegner für die Juden im Nationalsozialismus gar nicht vorhanden: Impfgegner sind heute frei in ihrer Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen. In Luxemburg gibt es weder eine Impfpflicht noch einen Impfzwang. Ungeimpfte Personen können auch heute noch ohne Kennzeichnung oder staatliche Erlaubnis vor die Tür gehen – und entscheiden aus eigener Kraft, sich bei Demonstrationen der Öffentlichkeit als ungeimpfte Personen erkenntlich zu geben. Die Juden im Nationalsozialismus hatten diese Wahl nicht. „Die Männer, Frauen und Kinder, die gezwungen wurden, dieses Abzeichen zu tragen, wurden nicht für das, was sie taten oder sich weigerten zu tun, für das, was sie sagten oder nicht sagten, ins Visier genommen, sondern für das, was sie in den Augen ihrer Henker waren“, schreibt die „Fondation luxembourgeoise pour la Mémoire de la Shoah“.

Die Einführung der schärferen Corona-Maßnahmen Anfang Januar sei eine Impfpflicht durch die Hintertür, lautet ein Gegenargument. Tatsächlich unterliegen ungeimpfte Personen ab Januar einigen Einschränkungen, die zur Bekämpfung der Pandemie beitragen sollen und das öffentliche Leben betreffen. Dennoch bleibt die Impfung eine freie Entscheidung, deren Konsequenzen jeder nun neu abwägen kann: Wer sich nicht impfen lässt, muss im Gegenzug aber nicht um sein Leben bangen oder eine Inhaftierung fürchten. Stattdessen winken den ungeimpften Personen im schlimmsten Fall unbezahlte Fehltage auf der Arbeit – und eben keine Deportation wie vor 80 Jahren. Entlassungen aufgrund des Verstoßes gegen 3G-Regeln wurden in Verhandlungen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern sogar explizit ausgeschlossen.

Diese Entscheidungen wurden von einer demokratisch gewählten Regierung im Interesse der öffentlichen Gesundheit getroffen, um vulnerable Bevölkerungsgruppen vor einer schweren und möglicherweise fatalen Viruserkrankung zu schützen – ein Vorgehen, das durchaus den demokratischen Grundprinzipien entspricht. Apropos demokratisch: Es sind demokratische Prinzipien, die es den Impfgegnern erlauben „Diktatur“-plärrend durch die Straßen zu laufen, ohne weitere Konsequenzen fürchten zu müssen.


*Das RIAL (“recherche et information sur l’antisémitisme Luxembourg“) weist darauf hin, dass es sich bei dem Stern auf dem Banner um einen Davidstern, und nicht um einen Judenstern handelt. Die Interpretation ist laut RIAL in dem Fall eine andere „Die Juden sind schuld an den Covid-Maßnahmen der Regierung (QR-Code), womit das klassische Sündenbockkonzept bedient wird: Die Juden sind an allem Schuld“, schreibt das Antisemitismus-Zentrum.

Linda
6. Dezember 2021 - 19.13

Waat huet Relioun mam Impfen ze dinn? Jidder Mensch egal wéi enger Nationalitéit ass op deser Erd glaich! Mir sin frai ons Relioun ze wielen !
An den Impfgéigner wel ech soen: Dir wou esou dichteg op FB Leit gestepelt hudd,weisst wéinstens är richteg Nimm! An op der Manif war dir nach ze feig är Gesiehter ze weisen!! Do hudd dir Mask un! FEIGLINGEN!
Den Här Reding misst vun sengem Posten démissionéieren! Esou en Politiker gehéiert net and Chamber! An seng Mattleefer genau esou! Ech schummen mech vir ons Letzebuerger! Vun allen Saiten gin mir nidder gemaach! Ween huet Schold???

den Alfons
6. Dezember 2021 - 18.22

Hier handelt es sich in erster Linie um dumm dämliche, dreiste Randalierer, nicht zu vergleichen mit der " marche blanche " Bewegung. Sie wissen wohl was sie tun aber nicht wovon sie reden. Ungebildet, frech und borniert.

grenzgegner
6. Dezember 2021 - 18.17

Schlimmer noch: Bei den Querdenkern laufen garantiert jede Menge Rechtsextremisten, Halb- und Vollnazis mit.

So manchen dürften Impfungen und Corona ziemlich egal sein. Diese über Nacht wundersamerweise zu Impfgegnern mutierten Protestler versuchen jetzt, die Bevölkerung aufzustacheln.

Man sollte sehr genau hinhören und -sehen, was für politische Parolen auf diesen "Veranstaltungen" schon jetzt und in naher Zukunft zu hören sein werden.

Hurt
6. Dezember 2021 - 17.35

"sei eine Impfpflicht durch die Hintertür"

Keine Angst, liebe Querdenker, wenn der Impfzwang Anfang nächsten Jahres kommt, dann durch die Vordertür.

Wieder Mann
6. Dezember 2021 - 17.16

Dass die Öffentlichkeit sich mit dem Judenstern als Unverschämtheit auseinandersetzt ist rechtens, allerdings wird hier das eigentliche Problem das diese Bewegung der Impfgegner in sich birgt entweder verharmlost oder nicht angesprochen. Ich berufe mich auf die Berichte vom Verfassungsschutz in Deutschland die Querdenker Bewegung längst von rechten Gruppierungen unterwandert ist , die Gegner der Impfung instrumentiert werden rechtes Gedankengut zu verbreiten, den demokratischen Staat anzugreifen und zu destabilisieren. Gegen die Verunglimpfung des Judensternes kann man rechtens vorgehen, aber die Dimension „ wessen Geistes Kind“ diese Bewegung der Impfgegner ist zu verharmlosen, zu beschwichtigen ist eine Gefahr mit Konsequenzen wir nicht einschätzen können und entgegenwirken müssen. Es gilt auch jene Impfgegner zu schützen, die im guten Glauben einer extrem gefährlichen Bewegung ihre unbewusste Unterstützungen geben , sich nicht der Gefährlichkeit von Gruppierungen wie QAnon, bodenständige Natur und Heimatverteidiger(Siehe Solawi) , nationalistische Gruppierungen ( in Deutschland als Beispiel Freies Sachsen) bewusst sind.Aufklärung, Hintergrundberichte durch die Medien notwendiger denn je.