BaskenlandWas hinter der Solidarität der Basken mit den Palästinensern steckt

Baskenland / Was hinter der Solidarität der Basken mit den Palästinensern steckt
Eine palästinensische Flagge wird während des Festivals „Pirata Abordaia“ in Donostia am 12. August gehisst Foto: Ander Gillenea/AFP

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Die besonders ausgeprägte Verbundenheit der Basken mit dem Schicksal der Palästinenser ist mit der Geschichte ihrer Region im Norden Spaniens zu erklären. Die Wunden aus der Zeit der Unterdrückung durch die spanische Zentralmacht und des ETA-Terrors sind noch nicht verheilt.

Für seine drei Strände ist San Sebastián berühmt – und der Peine del Viento, der sogenannte Windkamm, gilt den Einheimischen wie auch Besuchern der mondänen Schönheit im Nordosten des spanischen Baskenlandes als beliebtes Ziel für einen Strandspaziergang. Das Ensemble aus drei Stahlskulpturen des Künstlers Eduardo Chillida ist am westlichen Ende der Bucht im Golf von Biskaya zu sehen, in der Donostia liegt, so der baskische Name der etwa 190.000 Einwohner zählenden Kapitale der Provinz Gipuzkoa. Zumeist wird es von hohen Wellen umspült.

Im April wurde der Ort zum Schauplatz einer eindrucksvollen Demonstration gegen das israelische Bombardement des Gazastreifens. Der Protestzug Tausender von Menschen führte über die malerische Uferpromenade entlang der Stadtstrände La Concha und Ondarreta und endete vor Chillidas emblematischem Werk. Die Demonstranten legten sich auf den Boden, was den Tod der zahlreichen Palästinenser im Gaza-Krieg symbolisieren sollte. Unterdessen waren Flugabwehrsirenen zu hören. Sie sollten die Bombardierung der baskischen Stadt Gernika durch deutsche und italienische Kampfflieger während des Bürgerkrieges am 26. April 1937 in Erinnerung rufen – neben einer Version von Pablo Picassos berühmtem Bild.

Protestaktion beim „Peine del Viento“ an der Bucht von Donostia
Protestaktion beim „Peine del Viento“ an der Bucht von Donostia Foto: EITB/EUS

Die Kundgebung endete, indem drei baskische Schauspielerinnen sowie ein Palästinenser ein Manifest in baskischer und spanischer Sprache verlasen – verbunden mit dem Appell: „Wir wollen uns nicht an einen rassistischen und verbrecherischen Staat gewöhnen, der täglich Hunderte von unschuldigen Menschen tötet.“ Zuletzt wurde die „mitschuldige Lauheit der ‚freien und zivilisierten Welt‘ unter der Führung der USA und dem Gefolge der EU“ angeprangert. „Wir sind mit Völkermord und systematischer Apartheid konfrontiert. Deshalb fordern wir unsere Politiker auf, alle kommerziellen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen“, hieß es in dem Aufruf zur sofortigen Beendigung des „Genozids“ der Israelis an den Palästinensern im Gazastreifen und zum Stopp der israelischen Besatzungspolitik.

Breites Bündnis der Solidarität

An der von baskischen Kulturschaffenden organisierten Demonstration nahmen zudem Vertreter von Gewerkschaften und linken Parteien wie Euskal Herria Bildu (EH Bildu), Podemos und der sozialistischen PSE teil. Die konservative EAJ/PNV stellte ihren Mitgliedern die Teilnahme frei. Zu den Unterzeichnern des Manifests gehörte neben zahlreichen Kulturgrößen unter anderem auch Nekane Balluerka, die ehemalige Rektorin der Universität des Baskenlandes. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hatte die Initiative Guernica-Palästina eine Demonstration in Donostia organisiert. Am 8. Dezember fand in Guernica (baskisch: Gernika) eine kaum minder beeindruckende Veranstaltung statt, um die Situation in Palästina anzuprangern: Im Zentrum der Stadt, die einst vor allem von deutschen Bombern der Legion Condor zerstört wurde, formten mehr als 3.000 Menschen ein Mosaik in den Farben der palästinensischen Flagge.

Kombiniert: die Fahne Palästinas und des Baskenlandes.
Kombiniert: die Fahne Palästinas und des Baskenlandes. Foto: Stefan Kunzmann

Zwar hat die spanische Regierung Ende Mai in einer Kabinettsitzung ein Dekret zur offiziellen Anerkennung eines palästinensischen Staates verabschiedet. Doch die Solidarität und innige Verbundenheit mit den Palästinensern ist im Baskenland besonders ausgeprägt. Viele Basken fühlen sich in dem Kampf der Palästinenser um Selbstbestimmung an ihre eigene Geschichte und an ihren Widerstandsgeist gegen die spanische Zentralmacht erinnert. Der Autor dieser Zeilen erlebte selbst bei seinen ersten Besuchen in der Region vor mehr als drei Jahrzehnten jene politisch besonders aufgeladene Zeit, als die separatistische Euskadi ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit, ETA) aktiv war. Die 1959 als Widerstandsbewegung gegen die Diktatur von Francisco Franco gegründete linke Untergrundorganisation verübte zahlreiche Terrorattentate. Insgesamt wurden von der ETA bis zu ihrer Selbstauflösung im April/Mai 2018 rund 830 Menschen getötet und mehr als 3.000 verletzt. An vielen Hauswänden war „Gora ETA“ zu lesen, was so viel bedeutet wie „Ein Hoch auf die ETA!“

Allgegenwärtig: die Solidarität mit den Palästinensern und ein Element aus Picassos „Guernica“
Allgegenwärtig: die Solidarität mit den Palästinensern und ein Element aus Picassos „Guernica“ Foto: Stefan Kunzmann

Seit Beginn des Angriffs der israelischen Armee auf Gaza Mitte Oktober 2023 hängen in den baskischen Städten wie Donostia unzählige Palästina-Fahnen, häufig kombiniert mit den Ikurriñas, baskischen Flaggen – und Transparente, die zur Solidarität mit Palästina und zu einer politischen Lösung aufrufen. Nicht nur Demonstranten tragen Palästinensertücher. Ein Mann zeichnet jeden Morgen seine Friedensbotschaft für Gaza, die Ukraine und andere Regionen, in denen Krieg herrscht, in den Sand der Concha.

Agus Hernan von der Initiative Gernika-Palästina hebt das breite Echo der Forderung nach Solidarität mit Palästina hervor, die sich nicht nur auf jene Protestaktionen in Donostia und Guernica beschränkte, sondern zu Kundgebungen in zahlreichen anderen Städten der aus drei Provinzen bestehenden „Autonomen Gemeinschaft Baskenland“ führte. Er betont: „Zurzeit konzentriert sich die Solidarität mit Palästina auf die Forderung nach einem dringenden humanitären Waffenstillstand, der es ermöglicht, Hilfsgüter in den verwüsteten Gazastreifen zu schicken und eine demokratische Lösung umzusetzen.“ Hernan weist außerdem darauf hin, dass die Mobilisierung der Zivilgesellschaft Akteure wie den spanischen Staat und die Europäische Union dazu veranlasst habe, ihre Position angesichts des von Israel verübten Massakers zu ändern.

Widerstand gegen die Franco-Diktatur

Die von den Basken empfundene Nähe zu den Palästinensern, die mehr als Solidarität und Anteilnahme ist, hat viel mit dem eigenen Schicksal des kleinen Volkes im Norden der iberischen Halbinsel zu tun. Zu Beginn des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) erhielten die Basken von der Madrider Zentralregierung Kompetenzen, sich selbst zu regieren. Diese Autonomie endete 1937, als die rechten Putschisten unter General Francisco Franco das Baskenland eroberten. Die baskische Sprache wurde verboten, Widerstandskämpfer wurden verfolgt und hingerichtet. In diesem Kontext entstand die ETA. Mit ihr begann eine Phase der baskischen Geschichte, die von Angst und Gewalt geprägt war, eine bleierne Zeit.

 Verwaschen: das Symbol der ETA mit Axt und Schlange.
 Verwaschen: das Symbol der ETA mit Axt und Schlange. Foto: Stefan Kunzmann

Die Wunden der Vergangenheit sind längst noch nicht verheilt. Fast sechs Jahrzehnte können nicht einfach aus dem Gedächtnis gestrichen werden. Mehr als 350 Mordfälle sind nach wie vor ungelöst. Vor allem die Opfer der Terroristen behaupten, dass die ETA es sich mit ihrer Selbstauflösung als medienwirksam inszenierten Abgang zu einfach gemacht habe. Zur Auflösung wurde ein Communiqué verlesen, die Terrorgruppe lud zum „Friedenskongress“ ins französische Baskenland. Das wurde von der Opferseite als Hohn empfunden. Viele Menschen sind traumatisiert. Während des Terrors mussten baskische Unternehmer eine „Revolutionssteuer“ zahlen. Der Philosoph Fernando Savater, in Donostia geboren und lange von der ETA bedroht, sagte im Mai 2018 gegenüber Le Monde: „Wir müssen der ETA nicht dankbar sein. Sie gab nicht aus Freundlichkeit oder Humanität nach, sondern weil sie keine Wahl mehr hatte.“

„Vorwärts auf beiden Wegen“ zu einem unabhängigen, vereinigten Baskenland, lautete das Motto der ETA, bezeichnet nach ihren beiden Symbolen, der Axt, die für die Härte steht, und der Schlange für die List. Die linken Studenten, die sich in dem konservativen Eusko Alderdi Jeltzhalea – Partido Nacionalista Vasco (EAJ-PNV oder einfach PNV) nicht zu Hause fühlten, unterrichteten die vom Regime verbotene baskische Sprache. Zwar war bereits bei einem Anschlag im Bahnhof von Donostia Ende Juni 1960 ein Kind ums Leben gekommen. Der erste politische Mord geschah jedoch erst im Juni 1968, als der Etarra (ETA-Mitglied) Txabi Etxebarrieta in eine Polizeikontrolle geriet und dabei einen Polizisten erschoss.

Repression und Radikalisierung

Auch Etxebarrieta wurde getötet. Sein Tod löste eine Solidaritätswelle aus. Es kam zur Radikalisierung. Im August 1968 brachte ein ETA-Kommando in Irún den Polizeikommissar Melitón Manzanas um, einen berüchtigten Folterer der Franquisten, der im Bürgerkrieg mit der Gestapo zusammengearbeitet hatte. Franco reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustands. Viele Etarras landeten im Gefängnis, neun wurden zum Tode verurteilt, andere flohen ins Ausland. Die Todesurteile wurden in lebenslange Haft umgewandelt. Francos Nachfolger Luis Carrero Blanco kam 1973 bei einem Sprengstoffanschlag in Madrid ums Leben.

Nach wie vor wird der linke Separatismus gepflegt: Unabhängigkeit und Sozialismus. Hier in der Altstadt von Donostia.
Nach wie vor wird der linke Separatismus gepflegt: Unabhängigkeit und Sozialismus. Hier in der Altstadt von Donostia. Foto: Stefan Kunzmann

Mit dem Ende der Diktatur 1975 endete auch die Phase der ETA als antifranquistische Befreiungsbewegung. Doch die ETA verschwand nicht mit ihrem Hauptfeindbild, dem Franco-Faschismus, den sie als Rechtfertigung verwendet hatte. Auch nach dem Tod des Caudillo führte sie ihren Kampf weiter. Zum einen zog sie ihre Legitimation aus dem mehrheitlichen Nein der Basken zur neuen Verfassung im Jahr 1978. Zum anderen wurden Francos Schergen nicht zur Rechenschaft gezogen und kommandierten weiter Armee und Guardia Civil. Auch das ließ die Etarras weiterhin zur Waffe greifen.

Zugleich setzte sie auf den politischen Weg, den der Schlange. Ihr politischer Arm der Bewegung war die 1978 gegründete Partei Herri Batasuna (Volksunion, HB). Die ETA war in eine politische (für innere Schulung und Propaganda), ökonomische (für die Eintreibung der Revolutionssteuer), kulturelle (für die Förderung der baskischen Kultur) sowie militärische Sektion unterteilt. Bei einem Referendum über einen Autonomiestatus – den die ETA ablehnte, weil er die völlige Unabhängigkeit ausschloss – gaben 53 Prozent der Basken schließlich ihre Ja-Stimme ab. Die ETA bombte weiter.

Änderung der Strategie

Zu erwähnen ist jedoch, dass in Spanien von 1975 bis 1981 paramilitärische und faschistische Gruppen rund 40 Separatisten ermordet hatten. Doch auch später, in der Regierungszeit der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Felipe González (1982-1996), setzte sich der „schmutzige Krieg“ fort. In den ersten Jahren töteten die „Grupos Armados de Liberación“ (Gal) 28 Etarras und Politiker von Herri Batasuna. Die wahren Drahtzieher der Morde sind bis heute unbekannt. Als gesichert gilt jedoch, dass die Gal vom spanischen Innenministerium finanziert wurde.

Auf der Strandpromenade von Donostia
Auf der Strandpromenade von Donostia Foto: EITB/EUS

Die ETA änderte ihre Strategie. Nachdem sie ihre Anschläge zuvor gezielt gegen die spanischen Sicherheitskräfte gerichtet hatte, platzierte sie 1987 eine Bombe in einem Supermarkt in Barcelona. Bei dem Attentat kamen 28 Menschen ums Leben. Daraufhin verließen zahlreiche Etarras die Organisation und spaltete sich Herri Batasuna. Die sozialistische spanische Regierung brach die Verhandlungen mit den Terroristen ab. Derweil gab es für die ab 1996 in Madrid regierenden Konservativen (PP) nur eine militärische Lösung des Konflikts. Die ETA entführte den baskischen PP-Politiker Miguel Angel Blanco Garrido, um die Verlegung ihrer auf Gefängnisse im ganzen Land verteilten Gefangenen in Haftanstalten zu erzwingen. Ministerpräsident José María Aznar, der 1995 einen ETA-Anschlag überlebt hatte, lehnte diese Forderung ab. Blanco Garrido wurde daraufhin erschossen.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts begann das letzte Kapitel der ETA mit dem Verbot von Herri Batasuna 2002. Doch die politischen Rahmenbedingungen änderten sich zwei Jahre später, als der PSOE-Politiker José Luis Rodriguez Zapatero die Wahl gewann. Wiederum zwei Jahre später, im März 2006, kündigte die ETA einen „permanenten Waffenstillstand“ an, der bis auf einen Anschlag auf ein Madrider Parkhaus auch eingehalten wurde. Viele Terroristen gingen den spanischen und französischen Sicherheitskräften ins Netz. Die ETA verlor zunehmend an Bedeutung.

Ende des Kampfes

Die Untergrundorganisation verkündete 2011 einmal mehr einseitig einen Waffenstillstand und akzeptierte den Paradigmenwechsel, „mit dem sich im linken Lager das Primat der Politik durchsetzte“, und nur noch mit politischen Mitteln und gewaltfrei für das gemeinsame Ziel gekämpft werden sollte, schreibt der Kölner Journalist, Historiker und Baskenland-Kenner Ingo Niebel. „In der Folge entwickelte sich eine Dynamik, die mehrere linksnationale Kräfte veranlasste, sich in der Parteienkoalition „Euskal Herria Bildu“ (EH Bildu) zusammenzuschließen“, stellt Niebel fest. Im Oktober 2011 fand unter Leitung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan eine Konferenz in Donostia statt, auf der die internationalen Unterstützer die ETA aufriefen, der Gewalt zu entsagen. Bis zur Selbstauflösung der Organisation sollten es noch fast weitere sechseinhalb Jahre dauern.

Die Zivilgesellschaft im Baskenland habe die Grundlage dafür geschaffen, dass sich die ETA schließlich auflösen konnte, konstatiert Ingo Niebel. Der Grundkonflikt mit den spanischen und französischen Regierungen über den Status und die baskische Sprache bestand jedoch fort. Er lässt sich, wie Niebel erklärt, in drei Punkte unterteilen: Weil sich die Basken über ihre Sprache definieren, fordern sie die gleichberechtigte Anerkennung des Euskara – Europas älteste noch lebende Sprache; außerdem streben sie die territoriale Einheit der sieben baskischen Provinzen, von denen vier in Spanien und drei in Frankreich liegen, an; und sie möchten über die politische Zukunft ihres Gemeinwesens selbst bestimmen können.

Schließlich kam es nach der Auflösung der ETA zur Übergabe ihres Waffenarsenals. Seitdem hat sich das Leben in der Region normalisiert. Seit 2019 unterstützen die Abgeordneten der linken Euskal Herria Bildu (EH Bildu), die in der Tradition von Herri Batasuna steht und zu deren Führung der Ex-Etarra Arnaldo Otegi gehört, und der PNV die Minderheitsregierung von Pedro Sánchez (PSOE). Um die Vergangenheit aufzuarbeiten, gibt es im Baskenland verschiedene Initiativen. Allerdings lehnt es der spanische Staat weiter ab, zu akzeptieren, dass die staatliche Gewalt während der Franco-Diktatur eine zentrale Ursache des baskischen Konflikts war. Auch lehnen die Verbände der ETA-Opfer den Dialog noch ab.

Schwieriger Prozess der Versöhnung

Der Versöhnungsprozess stagniert. Derweil ermittelt die spanische Justiz noch gegen die ehemalige Organisation und ihr Umfeld. Eine Amnestie der mehr als 230 Gefangenen ist unwahrscheinlich, und ihre Verlegung in Gefängnisse im Baskenland wird von den rechten Parteien und Opferverbänden abgelehnt. Zwar wird immer wieder die „convivencia“, das Zusammenleben, beschworen. Aber die gestaltet sich schwierig. So verweigerten linke und nationalistische Politiker der Basken kürzlich eine Schweigeminute für einen von Drogenschmugglern getöteten Zivilgardisten. Und bei einer Demo in Bilbao forderten etwa 20.000 Teilnehmer kürzlich die Zusammenlegung der ETA-Häftlinge.

Fernando Aramburu, Autor des Buchs „Patria“
Fernando Aramburu, Autor des Buchs „Patria“ Foto: Gabriele Pape

Derweil wettert die spanische Rechte immer wieder gegen Ministerpräsident Sánchez und wirft ihm vor, dass er im Parlament auf die Unterstützung von EH Bildu angewiesen ist. Nach den jüngsten Wahlen im Baskenland vom April bleibt zwar die Regierungskoalition zwischen PNV und dem PSOE-Ableger PSE bestehen, seit Juni ist Imanol Pradales (PNV) der neue „Lehendakari“, der baskische Premierminister. Der große Gewinner ist der linke Parteienverbund EH Bildu, der die zweitstärkste Kraft im Regionalparlament wurde. Der Erfolg dürfte sowohl dem linken als auch dem nationalistischen Profil des Parteienverbunds geschuldet sein. Von Gewalt will EH Bildu nichts wissen, aber auch nichts von einer deutlichen Verurteilung des ETA-Terrors.

Versöhnung sieht anders aus. Dies zeigt auch „Patria“, der 2016 erschienene Roman von Fernando Aramburu. Der Schriftsteller beschreibt den Mikrokosmos in einem fiktiven baskischen Dorf in der Nähe seiner Heimatstadt Donostia und die Folgen des Terrors, der die baskische Gesellschaft  spaltete. In dem Dorf ohne Namen herrscht Angst. Für die einen war der Kampf der ETA ein Befreiungskampf, für die anderen bloßer Terror, so etwa wie für die einen die palästinensische Hamas eine Befreiungsbewegung ist und für die anderen eine Terrororganisation.

Blick in den Spiegel

Aramburu, im ETA-Gründungsjahr 1959 geboren, war einer der ersten Schriftsteller, die sich literarisch mit der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der spanischen Geschichte befasst haben. In dem Roman muss ein Unternehmer namens Txato Schutzgeld bezahlen. Als er damit aufhört, tauchen im ganzen Dorf Wandschmierereien auf. Er wird als Verräter, Feigling und Verbrecher beschimpft. Die Leute grüßen ihn nicht mehr. Der Pfarrer rät ihm zum Umzug. Doch dafür ist es zu spät. Txato wird mit vier Schüssen in den Rücken niedergestreckt.

Das Baskenland mit seinen drei Provinzen in Spanien, der Provinz Navarra und dem französischen Baskenland
Das Baskenland mit seinen drei Provinzen in Spanien, der Provinz Navarra und dem französischen Baskenland Illustration: Bundeszentrale für politische Bildung

Mehr als 20 Jahre nach dem Tod des Unternehmers kehrt seine Frau Bittori in das Haus zurück, in dem sie einst zusammen lebten. Die Kinder sind längst erwachsen. Die Familie wurde nach dem Mord weiter ausgegrenzt. Der Sohn von Bittoris bester Freundin ging in den Untergrund. Nachdem er seinen ersten Mord begangen hatte, wurde er von der Polizei festgenommen und gefoltert. So ist nicht nur Txatos Familie zerstört worden, sondern auch die ehemals befreundete Familie des Täters. Aramburu schildert die Atmosphäre als bedrohlich und bedrückend.

„Patria“ zeigt den moralischen Zerfall einer Gesellschaft, in der Menschen, die miteinander lebten und befreundet waren, gegeneinander aufgebracht und zu Feinden werden. Die Tatsache, dass die Vergangenheit noch lange nicht vergangen ist, bildet die treibende Kraft in dem Roman. „Patria“ zeigt die Gräben, die der Terror in der baskischen Gesellschaft hinterlassen hat. Und durch die gegenwärtige Welle der Solidarisierung mit dem Schicksal der Palästinenser glauben manche Basken in einen Spiegel zu schauen, in dem sie ihre eigene Vergangenheit erkennen.

JJ
24. August 2024 - 16.08

So ist das mit den Freiheitskämpfern. ETA,FLNC(Korsika),PLO,IS,Taliban usw waren sich nicht zu schade Menschen in die Luft zu sprengen ( PLO oder IS oder eben die ETA ) für ihre Ideologie. Dass das keine Lösung ist wissen sicher alle.