Editorial„Weniger Tourismus, mehr Leben“: Die Probleme des Urlaubs in der Fremde

Editorial / „Weniger Tourismus, mehr Leben“: Die Probleme des Urlaubs in der Fremde
„Tourismus ja, aber nicht so“: Plakat auf einer Demonstration in Palma de Mallorca am Sonntag Foto: Clara Margais/dpa

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Urlaubszeit sei die schönste Zeit des Jahres, heißt es, ist aber lange nicht für jeden der Fall. Laut jüngsten Statistiken (s. „T“ vom 22.7.2024) kann sich ein Drittel aller Europäer keinen Urlaub leisten. Hierzulande ist es laut Eurostat etwa jeder zehnte Haushalt, der keine Urlaubsreise antreten kann. Es ist sonderbar, dass Wohlstand u.a. auch daran gemessen wird, welcher Teil einer Bevölkerung in Urlaub fahren kann.

Urlaub bedeutet für denjenigen, der es sich leisten kann, zwar Erholung, für die Bewohner etlicher Touristenorte allerdings genau das Gegenteil. Oft fühlen die sich dermaßen durch Touristen gestört, dass sie ihrem Alltag nicht mehr nachgehen können. In mehr und mehr Orten gehen die Einheimischen auf die Barrikaden: „Tourist go home“, heißt es auf einem Graffito in Barcelona, das durch die sozialen Medien geisterte.

Auf Mallorca gab es am Wochenende eine Großdemonstration (nicht die erste) gegen den Massentourismus. Die Einheimischen protestieren nicht nur gegen pöbelnde und in der Öffentlichkeit pinkelnde Ausländer, gegen den Lärm und Schmutz, sondern auch gegen steigende Mieten. Eine Vereinigung, die sich „Weniger Tourismus, mehr Leben“ nennt, hatte zu dem Protest aufgerufen. Und das, obwohl die Tourismusbranche für fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Insel steht. Tourismus schafft Arbeitsplätze, doch wie in einem rezenten Artikel in der Zeit zu lesen war, sind auf Mallorca die meisten davon Niedriglohnjobs. Die immer teureren Wohnungen können sich viele Angestellte nicht leisten. Hinzu kommt ein modernes Problem in etlichen Städten, wo Eigentümer es vorziehen, ihre Wohnung an Touristen zu vermieten statt langfristig an Einheimische.

Mallorca ist kein Einzelfall. Mehr und mehr Städte versuchen, den Ansturm der Touristenhorden zu bremsen, sei es durch Quoten oder höhere Hotelabgaben, wie z.B. Venedig, Dubrovnik oder Amsterdam. Die niederländische Hauptstadt wollte voriges Jahr mit einer Online-Kampagne partywütige Briten von einem Besuch abhalten. Nun versucht die Stadt mittels eines Online-Quiz (www.amsterdam-rules.com/quiz), Reisenden elementare Benimmregeln beizubringen. Dabei wird man z.B. gefragt, ob man die Stadt mit einem Drink oder einem Joint in der Hand erkunden möchte. Manche mag es vielleicht überraschen, doch in Holland ist Kiffen in der Öffentlichkeit verboten. Neben den erwähnten sozialen Missständen ist auch der fehlende Respekt der pöbelnden Touristen ein Problem, ganz zu schweigen von Umweltproblemen, die der Massentourismus vielerorts verursacht.

Man soll nicht das Kind mit dem Bade ausschütten; es geht nicht darum, den Tourismus grundlegend abzulehnen, auch schon deshalb nicht, weil für viele Entwicklungsländer Tourismus die Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft darstellt. Und auch in diesem Bereich achten immer mehr Menschen auf Nachhaltigkeit: Sanfter Tourismus stellt sicher, dass die Menschen vor Ort davon profitieren. Nachhaltiger Tourismus beginnt aber vor allem in den Köpfen der Touristen selbst, also bei den meisten von uns.

Leila
24. Juli 2024 - 9.00

Wessen Fehler ist der Touristen-Irrsinn denn? Bestimmt nicht der, der jetzt Unbeliebten bei den Einheimischen! Wieviele haben sich denn an ihnen dumm und dämlich verdient? Bauunternehmer, Bauherren, die diese hässlichen Bettenburgen aus dem Boden stampften. Dem Ballermann-Kunden sind diese Unansehnlichkeiten egal, seine Interessen liegen woanders. Wohnungseigentümer wollen auch ein Stück vom Kuchen und vermieten lieber an Urlauber, als an ihre Landsleute. So lange es Tausende Betten gibt, solange kommen sie wie die Heuschrecken. Einzige Möglichkeit: Abreißen, kleinere, nette Hotels hinstellen, einfach auf mehr Qualität statt Quantität setzen. Bauherr und Unternehmer wird's bestimmt freuen...