FilmgeschichteWenn man vom Teufel spricht: Satanismus im Film

Filmgeschichte / Wenn man vom Teufel spricht: Satanismus im Film
Aus dem Höllenfeuer: Wie wird Satanismus im Film behandelt? Foto: Yeko Photo Studio/Sergejs Rahunoks

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Zwischen Morden und Gruselgeschichten: Satanismus-Fiktionen prägen die Filmgeschichte seit Jahrzehnten. Zwei wichtige Filme im Überblick.

Während Regisseur Oz Perkins sich in „Longlegs“ darum bemüht, seine Detektivgeschichte mit dem Horrorfilm zu verbinden und dabei Bezüge zu einer nicht weiter definierten Form des okkulten Satanismus herstellt, droht sein Film unter der Last dieser Verweise zu zerbrechen. Die Schnittstelle zwischen Thriller und Horrorfilm zu bedienen, ist oftmals ein schmaler Grat, doch besonders in den Neunzigerjahren waren entsprechende Mischformen der Satanismus-Fiktionen überaus beliebt.

Das Ende der Neunzigerjahre war im Kino geprägt von einer Tendenz der Untergangsstimmung, die durch die anstehende Jahrtausendwende ausgelöst wurde. Da gab es etwa vermehrt Katastrophenfilme, wie den Kassenschlager „Armageddon“ (1998) oder noch Filme, die sich sehr direkt dem Teufel zuwandten, eine Form des schauerhaften Satanismus beschwörend. Dunkle Religiosität bestimmte das Millennium zusehends und immer wieder fand Satan eine menschliche Gestalt, um die Welt in den Abgrund zu stürzen. „God’s Army“ (1995) mit Viggo Mortensen als Lucifer oder noch „End of Days“ (1999) mit Gabriel Byrne als Satan sind nur zwei Untergangsszenarien aus dieser Zeit. Weitaus beklemmender und gedankenspielerischer erkundeten zwei andere Filme das Motiv des Satanismus und exerzierten es letztlich anhand sehr menschlicher Fragen.

„The Devil’s Advocate“

Gibt in „The Devil’s Advocate“ den Teufel: Al Pacino
Gibt in „The Devil’s Advocate“ den Teufel: Al Pacino Quelle: imdb.com

In „The Devil’s Advocate“ (1997), nach einem Roman von Andrew Neiderman, muss der junge und ehrgeizige Anwalt Kevin Lomax (Keanu Reeves) lernen, dass er vom Teufel (Al Pacino) höchstpersönlich engagiert wurde: Dieser gibt sich unter dem auffälligen Namen John Milton aus und ist ein wohlhabender Unternehmer, der Lomax für seine New Yorker Anwaltskanzlei anwirbt, um von seinem skrupellosen Potenzial zu profitieren. Dieser Film von Taylor Hackford erzählt sehr wörtlich von der Blitzkarriere als Pakt mit dem Teufel, die andere Filme wie die John-Grisham-Verfilmung „The Firm“ (1993) lediglich metaphorisch verhandelten. Die steile Karriere und der schnell einsetzende Erfolg kommen mit einem Preis. Der Teufel nämlich sieht in Lomax einen würdigen Sohn, er soll eine seiner Töchter zur Frau nehmen und mit ihr den Antichristen zeugen, um so den Kampf gegen Gottes Schöpfung aufzunehmen. Zumindest in den Vereinigten Staaten von Amerika braucht der Teufel eine Familie, so „The Devil’s Advocate“, um sich in das ideologische Gefüge einzugliedern.

Sein durchaus anregender moralistischer Ausgangspunkt, die Warnung vor einer professionellen Ethik, die nur die hemmungs- und skrupellose Gewinnmaximierung kennt, bleibt freilich hinter den groben Figurenzeichnungen und der mangelnden faustschen Konfliktschwere dieses Staranwalts zurück. Das übertrieben breite Schauspiel Pacinos, das man gerne mit dem Schlagwort des Overacting ins Pejorative wendet, ist indes hier ganz bei sich: Es geht um das Zügellose, das Maßlose, das Lustvolle, das Satan auf sich vereint – der Teufel ist „larger than life“, Pacinos Großgestik und groteske Mimik sind in ihrer übersteigerten Form Ausdruck dieser Über-Dimensionalität. Man kann in dieser konzeptuellen Grobheit aus der Rückschau heute vielleicht stärker ein karikierendes, sogar unfreiwillig parodistisches Moment ausmachen – zumal obendrein das Penthouse des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als Kulisse für den Film verwendet wurde –, doch die Wirkungsmacht dieses teuflischen Schauspiels ergibt sich letztlich in seinen fatalistischen Momenten. Der Horror dieses so offenkundig nicht als Horrorfilm inszenierten und beworbenen Films liegt gerade in seiner finalen Wendung: Obwohl „The Devil’s Advocate“ seinen strauchelnden Helden am Ende aus diesem Albtraum entlässt, wartet der Teufel letztendlich doch wieder auf ihn. Dass der Teufel ihn kriegt, ist nur eine Frage der Zeit, weil das Sündhafte in jedem Menschen wohnt. Gerade da setzt „The Devil’s Advocate“ sein Unbehagen erst recht frei.

„The Ninth Gate“

Zur näher rückenden Jahrtausendwende wandte sich auch der polnische Regisseur Roman Polanski mit „The Ninth Gate“ (1999) wieder dem mystischen Thriller zu. Der von der damaligen Filmkritik beschriebene Film galt weithin als eine Rückkehr Polanskis zu seinem Horrorklassiker „Rosemary’s Baby“ (1968), dabei hat dieser Film mit der dort beschriebenen Exorzismus-Phantasie überhaupt nichts gemein. Nicht der Austreibung, sondern vielmehr der Beschwörung gilt hier das Augenmerk, ferner noch ist das Diktat der Handlung sehr dem dramaturgischen Muster der Schnitzeljagd verpflichtet. Diese Adaption des Romans „Der Club Dumas“ („El club Dumas“) des spanischen Schriftstellers Arturo Pérez-Reverte nämlich setzte Johnny Depp als skrupellosen Bücherjäger Dean Corso in Szene, der von dem finsteren Balkan, einem Sammler okkulter Antiquitäten, einen sonderbaren Auftrag erhält: Er soll eine Buchreihe ausfindig machen, die Holzschnitte beinhaltet, die Luzifer höchstselbst angefertigt haben soll – zusammen sollen diese Holzschnitte aus den einzelnen Buchkopien in der Lage sein, die neunte Pforte zu öffnen und so Eintritt ins Teufelsreich gewähren.

So sehr sich diese Handlungsskizze auch als hanebüchener Unfug lesen lässt, nie ironisiert Polanski den übernatürlichen Aspekt seines Films und den Rückgriff auf biblisch-mythische Zeichen zu sehr, um das Ganze der Lächerlichkeit preiszugeben. Sein Film ist reich ausgestattetes Genrekino ohne doppelten Boden, der seinen Grundkonflikt gleich in der ersten Szene fernab satanistischer Einflüsse offenlegt: Zu sehen ist Dean Corso, wie er einen nach einem Schlaganfall paralysierten Büchersammler um eine wertvolle Don-Quichote-Ausgabe bringt. Zum einen ist die Geste hinterlistig und verschlagen, er sei ein „skrupelloser Geier“ wird ihm von einem Kollegen nachgerufen. Zum anderen ist das Abluchsen der Bücherausgabe ein bizarrer Ausdruck der Güte, da die beiden Kinder des Mannes die Gesamtsammlung so schnell wie möglich verscherbeln möchten, ihren Vater so mithin um sein Vermögen, sein Leben bringen wollen.

In „The Ninth Gate“ steckt der Teufel im Detail
In „The Ninth Gate“ steckt der Teufel im Detail Quelle: imdb.com

„The Ninth Gate“ ist von Beginn an angelegt als eine Geschichte der Sünde und der Erlösung. Polanski verdichtet seine atmosphärische Reise in die Düsternis mit der Musik des polnischen Komponisten Wojciech Kilar, der zuvor einen eindrücklich schauerhaften Klangteppich für Francis Ford Coppolas Adaption „Bram Stoker’s Dracula“ (1992) geschaffen hatte. Immer gefährlicher wird Corsos Suche, zahlreicher die Morde, doch seine Entschlossenheit ist ungebrochen. Immer zielgerichteter, ambitionierter und kalt geht er vor. Am Ende gibt „The Ninth Gate“ nicht alle seine Mysterien preis, lädt so umso mehr zur Spekulation ein.

Die Gemeinsamkeit beider Filme, „The Devil’s Advocate“ und „The Ninth Gate“, liegt darin, dass sie das übersinnliche Moment ihrer Erzählungen nie zu prominent einsetzen, um daraus drehbuchtechnische Probleme oder Unzulänglichkeiten ganzheitlich zu umgehen. Vielmehr sind es vordergründig Thriller, die ohne kriminalistisch-polizeiliche Handlung, etwa die Klärung eines Mordes, auskommen und die übernatürlichen Schauereffekte erst sehr spät oder nur ansatzweise einflechten. Dem Thriller-Gerüst entspricht umso mehr der Suspense-Faktor der Filmhandlungen, dem besonders Polanski als ein Epigone Alfred Hitchcocks frönt.

Der gemeinsame mehr oder weniger raffinierte Kniff beider Filme liegt letztlich im Umstand, dass die ambivalenten Helden sich dem Teufel von vornherein als würdig erwiesen haben. Sowohl „The Devil’s Advocate“ als auch „The Ninth Gate“ eröffnen unter dem Gewand der populären Genreunterhaltung menschliche Fragestellungen: Ist Skrupellosigkeit ein Ausdruck von Ehrgeiz? Ab wann ist Ehrgeiz sündhaft? Sie zeigen, wie unmerklich und schnell der Kipppunkt erreicht sein kann, wie schwach menschliche Gefühlslagen angelegt sind, wie wechselbar und steigerbar sie sind. Beide Filme nutzen dafür eine etwas grobschlächtige und mitunter verspielte Metapher, die bei Oz Perkins nur angedeutet ist. Was bei Perkins in „Longlegs“ am Ende offen und ungeklärt bleibt, ist bei Taylor Hackford und Roman Polanski sehr direktes Bekenntnis: Dass es hier mit dem Teufel zugeht, daran lassen beide Filme keinen Zweifel.

Depp und Polanski vor Gericht

Sowohl Johnny Depp als auch Roman Polanski mussten sich in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen vor Gericht verantworten. 2019 verklagte Johnny Depp seine Ex-Frau Amber Heard medienwirksam wegen Verleumdung, nachdem diese ihn öffentlich der häuslichen Gewalt beschuldigt hatte. Depp gewann den Prozess. Roman Polanski hingegen wurde zwischen 1977 und 2024 mehrfach wegen Missbrauchs von Minderjährigen angezeigt und schuldig gesprochen. (Isabel Spigarellli)