Rotes KreuzWie „Iris“ einsamen Menschen hilft und einzigartige Kontakte herstellt

Rotes Kreuz / Wie „Iris“ einsamen Menschen hilft und einzigartige Kontakte herstellt
V.l.: die freiwillige Helferin Valéria Fialho und die Leiterin von „Iris“, Yanica Reichel Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Zusammen einen Kaffee trinken oder spazieren gehen: Die Hilfe, die der Dienst „Iris“ des Roten Kreuzes anbietet, ist einfach, aber effizient: Freiwillige Helfer schenken einsamen Menschen zwei Stunden ihrer Zeit, die sie gemeinsam verbringen.

Seit Januar besucht Valéria Fialho einmal die Woche eine 93-jährige Einwohnerin aus Luxemburg-Stadt, um ihr Gesellschaft zu leisten. Die beiden gehen spazieren, trinken einen Kaffee, essen zusammen oder plaudern einfach nur. Valéria ist eine von rund 80 freiwilligen Helfern und Helferinnen von Iris, einem Dienst des Roten Kreuzes, der speziell gegründet wurde, um einsamen Menschen wieder sozialen Kontakt zu bieten.

Die Pfleger des Hilfsdienstes „Help“ des Roten Kreuzes merkten bei ihren Einsätzen, dass etliche Menschen etwas anderes als medizinische Hilfe brauchten, nämlich einfach nur Kontakte und Gespräche mit anderen. Ab einem gewissen Alter sind oft die Freunde oder Bekannten der gleichen Generation schon gestorben. Das Bedürfnis, mit jemandem zu reden, aber bleibt.

Auch mir helfen die Kontakte mit ihr sehr; erstens kann ich mein Französisch verbessern und zweitens erfahre ich aus erster Hand viel Interessantes über Luxemburg. Auch erzählt sie mir viel über ihre Vergangenheit und über die Zeit im Krieg.

Valéria Fialho, freiwillige Helferin

2012 wurde der Dienst „Eng Hand fir déi Krank“ ins Leben gerufen. Trotz des Namens waren aber von Anfang an einsame Menschen die Zielgruppe, erklärt die Verantwortliche, Yanica Reichel. 2017 wurde das Projekt in Iris umgetauft. „Iris hat mehrere Bedeutungen“, erzählt sie. „Es ist der Name einer griechischen Göttin, sie ist unter anderem Überbringerin guter Nachrichten. Und so wie die Iris des Auges einzigartig ist, ist auch jeder der Kontakte unserer Helfer mit den Menschen einzigartig. Und zu guter Letzt ist der Name in jeder Sprache verständlich, im Gegensatz zum ersten, ,Eng Hand fir déi Krank‘.“

Den ersten Kontakt zu Iris nehmen oft Familien oder Bekannte auf, manchmal auch die Betroffenen selbst. Yanica und ihre Kollegin Aurélie Pereira, beide Psychologinnen, besuchen die jeweilige Person, um sich ein Bild von ihr zu machen. Danach suchen sie dann eine in ihren Augen geeignete Begleiterin oder einen Begleiter aus. Das erste Treffen der späteren „Paare“ findet immer in Präsenz einer der Psychologinnen statt.

Die Mehrheit der von Iris betreuten Personen sind Frauen: 2023 waren es 81 Prozent. „Das erklärt sich ganz einfach dadurch, dass Frauen eben eine längere Lebenserwartung haben.“

Freundschaften

Valéria erinnert sich an ihre erste Begegnung mit ihrer neuen Bekanntschaft: „Die Frau ist noch sehr autonom und mobil, und sehr weltoffen“, erzählt sie. „Bei unserem ersten Treffen war sie etwas zurückhaltend. Sie hat immer wieder gesagt, wir werden sehen, wir werden sehen.“ Langsam aber habe sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. „Sie wollte zum Beispiel wissen, von wo genau aus Brasilien ich komme. Sie hatte eine Landkarte herausgenommen und wollte, dass ich ihr zeige, wo meine Heimatstadt (São Paulo) liegt.“

Viele Einsame wollen sich einfach nur mitteilen. Sie möchten, dass jemand ihnen zuhört.

Yanica Reichel, Leiterin von „Iris“

Valéria lebt seit zwei Jahren in Luxemburg, in Brasilien arbeitete sie als Anwältin und ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen. Von der Arbeit mit Iris profitieren beide Seiten. „Auch mir helfen die Kontakte mit ihr sehr; erstens kann ich mein Französisch verbessern und zweitens erfahre ich aus erster Hand viel Interessantes über Luxemburg. Auch erzählt sie mir viel über ihre Vergangenheit und über die Zeit im Krieg.“

„Viele Einsame wollen sich einfach nur mitteilen. Sie möchten, dass jemand ihnen zuhört“, ergänzt Yanica. Die Kontakte sind auf zwei Stunden die Woche begrenzt – die Begünstigten wissen dies von Anfang an. Die freiwilligen Helfer müssen aber ihrerseits Anpassungsfähigkeit zeigen. „Wir wissen nie, was uns erwartet, was die andere Person gerade möchte oder wozu sie Lust hat.“

Dass bei solchen regelmäßigen Besuchen Freundschaften entstehen, ist unumgänglich. „Vor ein paar Wochen hat mir die Frau das Du angeboten“, sagt Valéria. „Und wenn ich sie manchmal aus Gewohnheit und Respekt doch noch sieze, dann sagt sie fast vorwurfsvoll: ‚Wir hatten uns doch schon auf du geeinigt.‘ Auch hatte sie mir angeboten, meiner Tochter in Deutsch zu helfen.“

Der Dienst des Roten Kreuzes ist für die Begünstigten gratis, was diese aber manchmal überrascht. Sie wollen ihren Begleitern oft eine Freude bereiten. Ihre neue „Freundin“ habe zum Beispiel kürzlich darauf bestanden, das Essen zu bezahlen. „Unsere Mitarbeiter dürfen kein Geld annehmen, bei solchen Gefälligkeiten wie Essen muss aber auf ein Gleichgewicht geachtet werden“, betont Yanica. Beim nächsten Mal sollte dann schon die Begleiterin bezahlen. Sie weiß, dass die Beziehungen oft sehr eng werden. „Wenn eine der Freiwilligen Urlaub macht, lehnen manche einen Ersatz während der Abwesenheit ab.“

Rund 80 freiwillige Helfer beschäftigt Iris für diese Arbeit. Bei einem ersten Vorstellungsgespräch sehe man schon oft, ob die Person für die Aufgabe geeignet ist. Danach folgen eine 20-stündige Ausbildung und ein zweistündiges Praktikum. Bei der Schulung stehen Themen wie Kommunikation im Mittelpunkt.

Iris sucht immer wieder Freiwillige. Grundvoraussetzungen sind ein Mindestalter von 18 Jahren und ein paar Stunden Zeit die Woche. Weitere Informationen: www.croix-rouge.lu/fr/service/iris/