MedienkolumneWir müssen reden … und schreiben

Medienkolumne / Wir müssen reden … und schreiben
  Foto: dpa/Uli Deck

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Viele Menschen sind der vielen Krisen überdrüssig. Das kann man verstehen. Das überwältigende Gefühl unaufhaltsamer Doomsday-News drückt aufs Gemüt. Unwiderruflich. Doch leider lassen sich die Probleme dieser Welt nicht wegschweigen. Augen schließen und sich die Welt erdenken, wie sie einem gefällt, mag verlockend klingen, doch schlagen Verdrängungsattituden eher früher als später boomerangartig zurück.

Neben der Vielzahl an Krisen gibt es wesentliche Unterschiede in der Beachtung, welche ihnen unsere Gesellschaften schenken. Im „Global Risks 2024 Report“ des Weltwirtschaftsforums fungiert das Problem der Falschinformation und der daraus resultierenden Polarisierung der Gesellschaft als Risiko Nummer eins (sic) für die nächsten zwei Jahre. Die Gefahr von Fake News übertrifft damit kurzzeitig sogar die globale Klimakrise sowie die wirtschaftlichen und sozialen Krisen. Dennoch wartet man vergebens auf große Weltkonferenzen, die sich dem Thema annehmen.

Die Wichtigkeit und Notwendigkeit seriöser, vertrauenswürdiger Medien müssten das Topthema schlechthin sein. Sind es aber nicht. Vielleicht auch weil wir selbst, wir Medienschaffende, uns schwertun, zur eigenen Causa zu berichten, schreiben, analysieren und kommentieren. Weil wir uns selbst befangen fühlen. Ein per se ehrbarer, ehrlicher, professioneller Reflex. Nur, wer wird über die Herausforderungen der Medien berichten, wenn nicht die Medien?

Die Krise im Bausektor hat es sogar ins Koalitionsprogramm der Luxemburger Regierung geschafft. Die Erschütterungen, welche die Medienbranche seit über zehn Jahren prägen, und die nächsten, sich bereits ankündigen Disruptionen bleiben für die Mehrheit der Bevölkerung eine große Unbekannte. Zwar nutzen die Leser und Leserinnen öfters Handy und Laptop, um sich zu informieren, und weniger die altbekannte Printversion, doch welche Auswirkungen neue Technologien und veränderte Leseattituden auf die Presselandschaft haben, bewegt nur einige wenige. Obwohl weltweit die Redaktionen über die letzten Jahre geschrumpft und Druckereien verschwunden sind. Auch hierzulande.

Eine Gesellschaft ohne Medien ist eine Gesellschaft ohne wahrheitsgetreue Information und somit ohne fundierte Debatten. Eine Gesellschaft mit schwachen Medien ist eine gespaltene, in ihre Einzelteile zerfallende Gesellschaft. Sapere Aude, wage zu denken, meinte bereits Kant und schuf somit das Leitmotiv der Aufklärung. Eine gesunde Gesellschaft braucht eine gesunde Diskussions- und Streitkultur mündiger Bürger und Bürgerinnen. Wenn wir uns nicht mehr darauf einigen können, was die Realität ist, was Fakt ist und was Fake, dann gibt es auch keine Demokratie mehr. Medien, der Zugang zur Information bilden einen Grundstein im Schutzwall gegen die Feinde des Rechtsstaates und der Freiheit.

Wir sollten demnach darüber reden, mit welchen Folgen für die Gesellschaft zu rechnen ist, wenn Medien sich verändern, wenn der Medienkonsum abnimmt oder sich auf Plattformen verlagert, die keinen journalistischen Standards gerecht werden. Wir sollten darüber reden, warum es wichtig ist, Medien zu unterstützen und für geprüfte, recherchierte, wertvolle Information zu bezahlen. Wir sollten über Medien reden, kontrovers, gemeinsam, mit Leidenschaft, auf Basis zuverlässiger Fakten, so wie wir in einer gut funktionierenden Gesellschaft über alle relevanten, politischen und gesellschaftlichen Themen reden sollen und schreiben müssen.

* Michelle Cloos ist Generaldirektorin von Editpress

Phil
5. August 2024 - 9.15

Das Problem ist nur, dass unsere Gesellschaft eben nicht (!) mehr gut funktioniert, ergo, dass über alle relevanten, politischen und gesellschaftlichten Themen ein vernünftiger Diskurs nicht mehr möglich ist.