Zerreißprobe um Bootsflüchtlinge: Mitgliedstaaten streiten um Aufnahme von Menschen auf Hilfsschiffen

Zerreißprobe um Bootsflüchtlinge: Mitgliedstaaten streiten um Aufnahme von Menschen auf Hilfsschiffen
Flüchtlingsboot an spanischem Strand: „Der moralische Verfall der EU erschreckt uns“.

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Die EU-Kommission fordert eine nachhaltige Lösung für die Passagiere der Sea-Watch – doch die Mitgliedstaaten sträuben sich.

Von Eric Bonse

Das Flüchtlingsdrama um 49 Migranten auf zwei deutschen Schiffen im Mittelmeer vor Malta entwickelt sich zur Zerreißprobe für die EU. Die EU-Kommission appellierte am Montag an die 28 Mitgliedstaaten, sich solidarisch zu zeigen und die notleidenden Menschen aufzunehmen.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltige Lösung für die Flüchtlinge im Mittelmeer“, sagte ein Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die EU-Staaten müssten „mehr Solidarität“ beweisen und sich auch in der umstrittenen Frage der Verteilung der Flüchtlinge einigen. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramapoulos bemüht sich bereits seit Tagen um eine Lösung – bisher ohne Erfolg. Am Montagabend wollten sich die 28 EU-Botschafter in Brüssel mit der Krise beschäftigen. Auch der neue rumänische EU-Ratsvorsitz hat sich eingeschaltet.

Dauerlösung nicht in Sicht

Die Aussichten auf eine dauerhafte Lösung sind schlecht. Denn die EU-Staaten können sich schon seit Jahren nicht auf eine faire Verteilung der Flüchtlinge einigen. Seit Sommer letzten Jahres hat Italien zudem seine Häfen dicht gemacht. Auch Malta stellt immer neue Bedingungen.

Weil sich die Mitgliedstaaten gegenseitig blockieren, steht nun die EU als Ganzes am Pranger. Am Sonntag fand Papst Franziskus ungewöhnlich offene Worte: „Ich sende einen dringlichen Appell an die europäischen Staats- und Regierungschefs, dass sie konkrete Solidarität gegenüber diesen Menschen zeigen“, mahnte der Papst in Rom. Auch die Hilfsorganisation Sea-Watch zeigte sich empört. „Der moralische Verfall der EU erschreckt uns, aber wir lassen uns trotzdem nicht einschüchtern“, teilte sie mit. „Die Politik muss eine europäische Lösung finden und die unmenschliche Lage beenden.“

Die Lage an Bord wird immer prekärer

Unterdessen wird die Lage an Bord der beiden Schiffe immer prekärer. Der Trink- und Brauchwasservorrat müsse inzwischen streng rationiert werden, warnt die Hilfsorganisation Sea-Eye. Die 17 Migranten an Bord der „Professor Albrecht Penck“ müssten sich eine Toilette teilen und ohne Matratzen und Wechselkleidung auskommen. Doch die Regierungen der beiden nächstgelegenen EU-Staaten – Malta und Italien – weigern sich, die Boote in ihre Häfen einlaufen zu lassen. „Italien ist viel zu lange ein offener Hafen gewesen, während Europa auf die Migranten gepfiffen hat und uns ausgelacht hat. Jetzt reicht es“, sagte Vize-Premier Matteo Salvini von der rechten Lega.

Zuvor hatte sich der zweite stellvertretende Regierungschef, Luigi Di Maio von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, etwas offener gezeigt. Italien werde Kinder und deren Mütter von den Schiffen aufnehmen, wenn Malta die Schiffe anlanden lasse. Doch auch Malta sperrt sich.

Die maltesische Regierung fordert als Gegenleistung angeblich eine Verteilung von mehr als 200 Flüchtlingen auf andere europäische Staaten. Deutschland und die Niederlande signalisierten zwar grundsätzliche Hilfsbereitschaft, knüpften diese aber an Bedingungen.

Deutschland habe „sehr früh entschieden“, sich an einer „europäischen Lösung zur Aufnahme der Geretteten zu beteiligen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Dazu sei aber die „Mitwirkung der europäischen Partner“ nötig. Genau darum will sich die EU-Kommission in Brüssel nun bemühen – mit noch mehr Nachdruck.