BettelverbotZivilgesellschaft ergreift die Initiative

Bettelverbot / Zivilgesellschaft ergreift die Initiative
„Solidaritéit mat den Heescherten“: René Kollwelter, Serge Kollwelter, Marie-Marthe Muller, Guy Foetz, Tom Krieps, Maria Eduarda De Macedo Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Die Diskussion über das Bettelverbot zieht immer weitere Kreise. Nachdem am Vortag die parlamentarische Opposition dagegen Position bezogen hatte, setzen sich nun auch engagierte Bürger aus der Zivilgesellschaft zur Wehr.

Dass seit dem 15. Januar dieses Jahres in der Hauptstadt „eine Jagd auf Bettler“ stattfindet, auf der Basis einer hauptstädtischen Polizeiverordnung und auf Betreiben von Bürgermeisterin Lydie Polfer und der DP-CSV-Mehrheit sowie der ADR im Gemeinderat, und durchgewunken von Innenminister Léon Gloden, hat eine Reihe von Bürgern dazu veranlasst, sich dagegen zur Wehr zu setzen und eine Vereinigung zu gründen. Sie heißt „Solidaritéit mat den Heescherten“. Die Zivilgesellschaft meldet sich somit zu dem umstrittenen „Bettelverbot“ zu Wort.

Wie stark der Gegenwind ist, der den für das umstrittene Verbot Verantwortlichen mittlerweile ins Gesicht weht, zeigte bereits eine entsprechende Petition, „die innerhalb von ein paar Tagen die nötige Zahl an Unterschriften erreicht hatte“, sagte eingangs der ersten Pressekonferenz der Vereinigung eines ihrer Mitglieder, Guy Foetz, bis 2023 für „déi Lénk“ im hauptstädtischen Gemeinderat. Er betonte, dass der Artikel 42 der genannten Verordnung, indem er selbst das einfache Betteln verbiete, nicht nur gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, sondern auch „gegen alle rechtsstaatlichen Regeln“ verstoße.

Das Ziel der Vereinigung sei, so Foetz weiter, den Bettlern moralisch zu helfen und sie juristisch zu unterstützen. Ihnen solle gezeigt werden, dass sie nicht allein sind. Vier Rechtsanwälte hätten sich schon bereit erklärt. Außerdem wolle man Konferenzen organisieren und Aktionen starten, um auf die soziale Problematik aufmerksam zu machen und über sie zu diskutieren. Die „Solidaritéit mat den Heescherten“ fordere eine Sozialpolitik, mit der die Armut bekämpft wird – „und nicht die Armen“. Die CSV und die DP hingegen missbrauchten die Bettelei für ihre Zwecke. Ziel ihrer „populistischen Politik“ sei, die Bettler aus dem Stadtbild zu vertreiben. Letztendlich trieben sie dadurch nur einen Keil in die Gesellschaft.

Artikel 42 „nicht legal“

Das Ganze sei nichts anderes als ein riesiger „Uschass“, sowohl politisch als auch juristisch, sagte Mitstreiter Tom Krieps, wie Foetz ein ehemaliges Mitglied des hauptstädtischen Gemeinderats. Der langjährige LSAP-Politiker wies darauf hin, dass die Menschenrechtskonvention über der Verfassung stehe und dass alle Gesetze, die sie beschränken, demnach nicht rechtmäßig seien. Ein allgemeines Bettelverbot wie im Artikel 42 der Polizeiverordnung, der auch das einfache Betteln verbietet, verstoße gegen die Menschenrechtskonvention sowie gegen die luxemburgische Verfassung und sei daher nicht legal.

In seinem Urteil vom 19. Januar 2021 habe übrigens der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschlossen, dass Betteln nichts anderes als „le fait de s’adresser à autrui pour obtenir de l’aide“ sei. Krieps wies darauf hin, dass das Recht zu betteln unter das Recht auf Privatsphäre falle. Das Straßburger Gericht habe eine wegen Bettelns verhängte Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig bezeichnet. Außerdem sei auch die Behauptung, die organisierte Bettelei bekämpfen zu wollen, nicht ehrlich. Laut Krieps’ Ausführung können gemäß Artikel 37 der neuen luxemburgischen Verfassung die individuellen Freiheiten nur „durch ein Gesetz und nicht durch eine kommunale Verordnung“ eingeschränkt werden. Die Verordnung einer Gemeinde müsse mit den Gesetzen und gemäß Artikel 45 der Verfassung konform sein. Und einmal mehr betonte Krieps, dass die „mendicité simple“ kein Verstoß gegen das Strafgesetz sei und dass die hauptstädtische Verordnung, die das Betteln in all seinen Formen verbietet, illegal sei, weil sie gegen die Verfassung verstößt.

Marie-Marthe Muller von den Piraten warf Bürgermeisterin Polfer vor, die Bürger zu täuschen. Den Menschen auf der Straße, denen nichts anderes bleibt als zu betteln, werde ihre letzte Hoffnung genommen. „Es reicht mit den Lügen und der Diskriminierung“, so Muller. Die CSV, die das Christliche und Soziale in ihrem Namen trage, habe ihre fundamentalen Werte verloren. „Herr Gloden“, sagte Muller, „spielen Sie mit dem Gedanken an einen Polizeistaat?“ Mitgründer Serge Kollwelter wies darauf hin, dass die „Solidaritéit mat den Heescherten“ neben anderen Aktionen eine Lichterkette am Liichtmëssdag plane. Die Vereinigung kann über heescherten@gmail.com kontaktiert werden. Derweil hat das Kollektiv „Actioun géint Heescheverbuet“ für Freitag um 16 Uhr zu einem Sit-in auf der hauptstädtischen place d’Armes aufgerufen. „Um unsere Solidarität mit den am stärksten benachteiligten Menschen zum Ausdruck zu bringen, werden wir uns mit unseren Bechern auf dem Platz niederlassen“, heißt es in einer Mitteilung des Kollektivs, das die repressive Politik der Stadt anprangert.

Coco
27. Januar 2024 - 15.49

Kukt iech se gutt un an da lacht der ganz hârt. :-)

clauma
27. Januar 2024 - 7.52

Blödsinn......

Leila
26. Januar 2024 - 11.56

Besser wäre, sie würden ihre Energie, Tatkraft, moralische Unterstützung etc. z. B. bei der Stëmm oder sonstigen Anlaufstellen dauerhaft einfließen lassen, als lautes, aber kurzzeitiges Sturm laufen! Die Armen würden es ihnen auch danken und - die linke Hand soll nicht sehen, was die rechte tut...

Opa Hoppenstedt
26. Januar 2024 - 11.30

Les pensionnaires qui s’ennuyaient à la maison ont trouvé une raison pour sortir boire un verre en ville??

Robert Hottua
26. Januar 2024 - 8.32

Ab 1933 hat sich die rechtsextreme "Rechtspartei" von Herrn Nicolas MARGUE öffentlich zu einer bettlerfeindlichen Politik bekannt.
MfG
Robert Hottua