Am Festspielhaus bröckelt der Putz

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Die Fassade bröckelt, die Dächer undicht, ein Teil der Waschräume stammt noch aus den 50er Jahren. Das Bayreuther Festspielhaus muss von Grund auf saniert werden. Offen bleibt, wer die Kosten in Millionenhöhe übernimmt.

Mehr als 30 Millionen Euro haben die Mäzene der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in den vergangenen 20 Jahren in das Festspielhaus investiert. Und dennoch herrschen dort vielfach noch Zustände wie kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. „Selbst im Knast haben sie bessere Waschräume“, betont Karl-Heinz Matitschka, der technische Direktor der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth.

Das Festspielhaus befindet sich in einem sehr schlechten Zustand

Nicht nur am Königsbau sieht der Sandstein aus wie vom Marder zerfressen. Von den Simsen unter dem Dach fallen Betonteile in die Tiefe und gefährden die Besucher. Wasser dringt durchs Dach und sucht sich seinen Weg bis in die Büros im Erdgeschoss. Ein Teil der Kilometer langen elektrischen Leitungen verfügt noch über uralte Bleiummantelungen. Die meisten der mehr als ein Dutzend Heizungsanlagen in dem riesigen Gebäudekomplex haben annähernd 50 Jahre auf dem Buckel.

Viel Flickarbeit

„Das Gewerbeaufsichtsamt sitzt mir ständig im Nacken“, stöhnt Matitschka. Das gilt insbesondere für den Brandschutz und die Fahrstühle, die noch nicht über die vorgeschrieben Quetsch- und Scherkanten verfügen. „Wir sind ständig gezwungen, Prioritäten zu setzen und bewältigen vieles aus Bordmitteln“, berichtet der Technikchef bei einem Rundgang.

Sukzessive sind er und die beiden Festspielleiterinnen bemüht, die Arbeitsbedingungen für die Künstler und Bühnenarbeiter zu verbessern. Im vergangenen Jahr ging die neue Maske in Betrieb. „Jetzt haben wir mehr Platz. Wir haben die Abläufe optimiert und müssen nicht schon um 10 Uhr morgens die ersten Sänger zum Schminken bestellen“, erklärt Matitschka.

Neue Schneiderei

Rechtzeitig zum Beginn der Proben wurde in diesem Jahr die neue Schneiderei unter dem Dach fertig. „Im Winter war es dort eiskalt, im Sommer brutal heiß, wenn 30 Schneiderinnen ihre Dampfbügelautomaten in Betrieb hatten.“ Die alte Einfachverglasung wurde durch Thermopren-Fenster ersetzt, die neue Klimaanlage heizt und kühlt, je nach Bedarf.

Künstler wie der dienstälteste Solist Clemens Bieber schätzen die familiäre Atmosphäre am „Grünen Hügel“. Doch die Probebedingungen sind alles andere als ideal. Das Orchester übt im Selbstbedienungsrestaurant. Die Akustik dort ist viel schlechter als im verdeckten Orchestergraben, Wagners „mystischem Abgrund“. Die Werkstätten der Schlosser und Schreiner dienen im Sommer als Probenräume. Im Winter werden dort die Kulissen gebaut und gelagert. Als Garderobe für das Kindertheater dienen zwei Container. Einzig Eberhard Friedrich und sein immer wieder begeisternder Chor haben gute Bedingungen im 1987 errichteten Probensaal.

Halle musste gemietet werden

Erneut musste wegen des Platzmangels für die Proben der Oper „Parsifal“ eine Halle in einem Industriegebiet angemietet werden. Das kostet zusätzlich Zeit und Geld und erschwert die Koordination in der ohnehin knapp bemessenen Probenzeit am „Grünen Hügel“, findet auch „Lohengrin“-Regisseur Hans Neuenfels.

Abhilfe soll der Neubau einer Probebühne schaffen. Sie sollte mindestens so groß sein und auf dem selben Höhenniveau liegen wie die Bühne im Festspielhaus. Doch die gewaltigen Dimensionen stoßen bei einigen Stadträten auf städtebauliche Bedenken.

Die Zeit drängt

Die Zeit drängt. „Sonst kann es sein, dass wir das Haus eines Tages schließen müssen“, erklärte Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier kurz nach dem Beginn der 100. Auflage des renommiertesten deutschen Musiktheater-Festivals. Gemeinsam mit Georg von Waldenfels, dem Chef der mehr als 5000 Mitglieder zählenden Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, appelliert die Urenkelin Richards Wagners an den Bund und den Freistaat Bayern, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.

Die Mäzene haben zwar rund acht Millionen Euro auf der hohen Kante. Doch die reichen bei weitem nicht aus für die dringend notwendige Generalsanierung des Festspielhauses und einer neuen Probebühne. Konkrete Zahlen sollen im November auf den Tisch kommen. „Dann werden wir wissen, was auf uns, was auf Sie und was auf andere zukommt“, sagte Eva Wagner-Pasquier bei der Mitgliederversammlung der bundesweit bedeutendsten Mäzenatenvereinigung.