Lust zu lesenEiner beißt immer ins Gras

Lust zu lesen / Einer beißt immer ins Gras
Richard Osman Foto: Penguin Books

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Schön zu sehen, wenn sich ein Autor binnen weniger Veröffentlichungen ganz nach vorne unter die beliebtesten Schriftsteller seiner Zeit schiebt. Eine Rezension von Richard Osmans neuestem Donnerstagsmordclub-Bestseller.

Das Leben könnte so einfach sein, im Cooper Chase-Seniorenheim an der Küste von Kent. Aber nein, Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim wollen auf ihre alten Tage noch etwas Aufregung. Weshalb sie jede Woche einmal ab 11:00 Uhr im Puzzlezimmer der weitläufigen Einrichtung ihrem „Donnerstagsmordclub“ ausrichten, um sich der Aufklärung ungeklärter Mordfälle zu widmen. Bei der Auswahl möglicher Cold Cases hat sich Joyce durchgesetzt – schlicht, weil sie Mike Waghorn, den Moderator von „South East Tonight“, einer ihrer Lieblingssendungen im Fernsehen, kennenlernen will. Dessen investigative Co-Moderatorin Bethany Waites ist vor knapp zehn Jahren mit dem Auto über den Kalksteinklippen von Dover abgestürzt. Man fand Kleidung und Blutspuren, aber keine Leiche. Gerne erklärt sich der untröstliche TV-Star bereit, bei der Suche nach dem oder den mutmaßlichen Mördern seiner Kollegin auszuhelfen. Doch dabei wird es nicht bleiben, gesellen sich doch zu Waghorn noch ein KGB-Spion, eine landesweit berühmte Quizmasterin sowie eine Maskenbildnerin hinzu. Wobei in dem Getümmel, mit dem sich der Leser von Richard Osmans „Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel“ befassen muss, nicht jene Figuren vergessen werden sollten, die bereits aus der Krimi-Reihe des Autors bekannt und Osman-Fans ans Herz gewachsen sind: neben Muskelmann Bogdan vor allem die Polizei-Detectives Chris Hudson und Donna De Freitas sowie deren Mutter Patrice. Auch Connie Johnson, Osmans sinistre Oberschurkin aus dem Vorgängerroman „Der Mann, der zweimal starb“ (2022), wurde eingebaut, womöglich nur, um ein besonders raffiniertes Kabinettstückchen von der Sorte „Zwei Katzen schleichen um den heißen Brei“ aufzuführen. Die Mühe, die sich Osman mit seinen Charakteren macht, die Sorgfalt, mit der die Dialoge mit Witz und Raffinesse (wer zieht da wen über den Tisch?) aufgepolstert werden, führt natürlich dazu, dass der Leser nur ungern an die eiserne Krimi-Regel erinnert werden möchte: Irgendwer beißt immer ins Gras. Und wenn selbst der schlimmste Unsympath noch nett rüberkommt, fällt die Qual der Wahl doch ziemlich schwer. 

Auf schmalem Grat

Nicht alles ist reinstes Zuckerschlecken in Cooper Chase. Neben Rons knackenden Knien muss man sich vor allem um Elizabeths demenzkranken Ehemann Stephen Sorgen machen. Auch hier, ein großes Lob an den Autor. Denn er weiß sehr gut, die Ängste und die Begrenztheit von gutem Willen bei rapide abnehmender Gehirnleistung mit einer gewissen Tiefe, die man ruhig philosophisch nennen kann, darzustellen. In Osmans Romanen definiert sich Alter nicht durch das Fehlen von Jugend, sondern durch einen deutlichen Mehrwert an Erfahrung. Andersrum betrachtet wird Altersdiskriminierung von Osman schamlos ausgenutzt: Eine weißhaarige, tüttelige Omi kann einen Killer mit Knarre nicht ausknocken? Doch, kann sie. Und sich danach auch umstandslos dafür entschuldigen, weil das – Gott ist Zeuge! – nicht wirklich gewollt, sondern den Umständen geschuldet war, also Schwamm drüber!

Richard Osmans Romane lehren uns, dass listig sehr lustig sein kann. Wobei er nicht immer trittfest einen schmalen Grat zwischen humoresk und märchenhaft entlang wandelt. Besonders zum Ende hin, wenn es in puncto auktorialer Erzählung deutlich ein Zuviel an Aufklärung gibt. Nein, der Autor muss seiner Leserschaft nicht unbedingt die von ihm erschaffene fiktionale Welt bis auf zwei Stellen hinterm Komma auseinanderdröseln.  Ein bisschen Unklarheit zulassen, hilft bei der Illusion von Wirklichkeitsnähe ungemein! Ansonsten ist alles Paletti im Romanreich des Richard Osman, und man darf gespannt sein, wie er sein zunehmend miteinander verschwippt-verschwägertes Personenarsenal in den nächsten Donnerstagsmordclub-Abenteuern agieren lassen wird.

Info

Richard Osman: „Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel“
List Verlag, München 2023
432 S., 17,99 Euro