In Erinnerungen schwelgend

In Erinnerungen schwelgend
(Tageblatt/Didier Sylvestre)

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Regungslos liegt Timea Kovacs vor uns auf dem Boden, die Augen fest geschlossen, die Hände sanft auf eine Fußmatte gelegt. Sie verharrt im Stillstand, kein Laut ist zu vernehmen, nicht mal ihr Atmen.

Minuten verstreichen, bevor ihre Wange zu zucken beginnt und ihr lebloser Körper sich allmählich mit Leben füllt.

Plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, steht sie aufrecht und spannt all ihre Sehnen. Sie bewegt sich vor-, rück- und seitwärts, ohne eine klare Linie zu befolgen, und findet Unterschlupf unter einem Fatboy. Sie tanzt und paart sich mit ihm. Sie werden eins, zur unzertrennlichen Einheit. „Nicht wir schaffen die Choreografie, sondern sie schafft uns“, sagt die rumänisch-italienische Choreografin Valentina de Piante Niculae. Seit zwei Wochen weilt die Residenzkünstlerin mit ihrer Tänzerin Timea Kovacs und ihrer langjährigen Weggefährtin Serenella Fonzar in ihrer Rolle als Dramaturgin im Tanzlaboratorium „Trois C-L“, in dem sie tagtäglich die Tanzbewegungen für die Performance „Yin, Yung and Yang“ einstudiert.

Vollendete Harmonie

„Es handelt sich um ein ‚Work in Progress'“, verdeutlicht Valentina de Piante Niculae. „Wenn wir am 3. September auf die Bühne treten, ist unsere Suche längst noch nicht beendet. Erst in einem Monat findet im Rahmen eines Tanzfestivals in Bukarest die Uraufführung unserer Tanz-Performance statt“, erklärt die Choreografin. Im Mittelpunkt stehen der Körper, die Harmonie und Disharmonie mit dem, was wir Menschen als „Seele“ bezeichnen. Außerdem kreist die Performance um Identität, um die Suche und den Wunsch nach Zugehörigkeit, nach klaren Verhältnissen. Das klingt dramatisch.
Und das ist es auch.

Und gerade aus diesem Grund suchte Valentina de Piante Niculae die Zusammenarbeit mit einem Dramaturgen, einer Person, die es intuitiv versteht, Prozesse, noch bevor sie entstehen, zu deuten, sie zu greifen und einzubetten, damit sie in einer reibungslos überlaufenden Ausgewogenheit, die uns gleichsam berührt und aufwühlt, enden.

Im Proberaum nebenan wärmt sich Julie Barthélémy auf. Auch sie steckt mitten in den Vorbereitungen für die Aufführung ihrer Choreografie „Could Be Dancing, Get Dressed“, die am anstehenden 3. September im neuen Zuhause der Tanzfabrik „Trois C-L“, in der „Banannefabrik“ in Bonnevoie, erstmals vor heimischem Publikum aufgeführt wird.

Nostalgische Momentaufnahmen

Ihr Tanzstück ist die Frucht einer einmonatigen Künstlerresidenz in Bacau. „Die ersten Tage waren seltsam“, erinnert sich die junge Tänzerin. „Ich kannte niemanden und dachte anfänglich, die Inspiration hätte mich für immer verlassen“, verdeutlicht Julie Barthélémy. Doch eine abenteuerliche Reise nach Bukarest markierte den Wendepunkt: Sie strotzte nur so von Ideen.
Zu ihren Tanzbewegungen und Kunstkonzepten gesellten sich Tagebucheinträge, Kurzfilme und fotografische Momentaufnahmen. Sie alle sind fester Bestandteil ihrer Performance, werden ausgestellt und in die Thematik miteinbezogen, die Julie Barthélémy selbst als einen bittersüßen Blick in die Vergangenheit bezeichnet. „Ich wühle tief in nostalgischen Erinnerungen und suche nach Denkzetteln, die von den Vorbereitungen zum ersten Tanz und der ersten Liebe erzählen“, erzählt die leidenschaftliche Tänzerin, bevor sie sich vors Laptop kniet, in iTunes den passenden Song aussucht, die Augen schließt und in Erinnerungen schwelgend vor sich hintanzt.