In Europa können die Leute wenigstens lesen

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Knallbunte Farben und geometrische Formen sind sein Markenzeichen. Im Interview erläutert der New Yorker Künstler Peter Halley, warum er sich über Anerkennung in Europa mehr freut als in seiner amerikanischen Heimat.

Mr. Halley, Sie malen jetzt schon seit geraumer Zeit fast ausschließlich geometrische Formen. Warum konzentrieren Sie sich auf diese Form der Kunst?

Peter Halley: „Es ist der Versuch, geometrische Abstraktion mit der sozialen Landschaft in Verbindung zu setzen. Ich hatte das Glück, dass ich in einer Zeit mit dieser Kunst begonnen habe, in der die sogenannte ‚Französische Theorie‘ in den USA aufkam und Menschen wie Michel Foucault über die Geometrie von Gefängnissen und die Geometrie von Kommunikationssystemen sprachen. Diese Vierecke sind nicht nur Vierecke, sie sind eher Gefängnisse und Landschaft. Ich nenne sie Gefängnisse und Zellen, und ich habe mich dafür interessiert, wie sie verbunden sind. Räume in unserer Gesellschaft funktionieren nämlich ganz ähnlich. Denken Sie nur an Autobahnen, Aufzüge oder Computer. Da verstecken sich Geschichten hinter diesen Dingen.“

Ihre Werke sind sehr knallig und farbenfroh – wie passt das dazu?

„Ja, ich bin bekannt für eine bestimmte Art einer fluoreszierenden Farbwahl. Ich habe damit in den 1980er Jahren begonnen, und das war die Zeit, in der die Natur aufhörte, eine Bezugsgröße zu sein. Ich wollte, dass meine Bilder wie Einkaufszentren aussehen.“

Wie reagieren die Menschen auf Ihre Kunst? Unterscheiden sich die Reaktionen in unterschiedlichen Ländern?

„Ich habe hier sicher ein größeres Publikum als in den Vereinigten Staaten und darauf bin ich irgendwie stolz. Mir gefällt es, wie die Menschen hier mit Kunst umgehen. Manche setzen mich mit den 1920er Jahren in Verbindung – das ist für mich sehr aufregend und schmeichelhaft. Denn wenn man mit den Menschen in Deutschland, den Niederlanden oder sogar Italien spricht, dann gelten die 1920er Jahre als eine Art Renaissance – besonders in Bezug auf Architekten und Designer. Es war eine revolutionäre Ära. In den ersten zehn Jahren meiner Arbeit war das allerdings anders, und die Menschen kritisierten meine Arbeit als banal und meine Theorie der Geometrie als übertrieben. Aber am Ende wurde dann alles gut.“

Gibt es Ihrer Ansicht nach generell Unterschiede zwischen der Kunstrezeption in Europa und in den USA?

„In gewissem Sinne halte ich das kulturelle Leben in den USA für problematisch – und das hat alles mit Bildung zu tun. Ich meine, in Europa leben 300 Millionen Menschen und in den USA leben 300 Millionen Menschen. In Europa sind die meisten einigermaßen belesen, in den USA können, ich weiß nicht, nur vielleicht 25 Prozent wirklich lesen. Da gibt es eine Kluft im historischen Wissen. Das ist ein großer Unterschied zwischen den USA und Europa. Sicher gibt es auch in europäischen Ländern ernste bildungspolitische Probleme – aber letztendlich können die meisten Leute da wenigstens lesen.“