Neu im Kino„Trap“: In der Shyamalan-Falle

Neu im Kino / „Trap“: In der Shyamalan-Falle
M. Night Shyamalan (l.) mit Saleka Shyamalan und Josh Hartnett bei einer Sondervorführung von „Trap“ Foto: DPA, PA Wire/Ian West

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Regisseur M. Night Shyamalan lädt zu einem Konzert, bei dem die Musik Nebensache ist: „Trap“ ist ein kontrastreicher Film, doch hat er das Potenzial zum Klassiker? Eine Kritik. 

„Trap“ heißt der neue Film von M. Night Shyamalan, dem Regisseur, der besonders für seine verschlüsselte, windungsreiche Erzählweise bekannt ist. Unerwartete Wendungen, plötzlich einsetzende Schockmomente sind Ausdrücke eines unzuverlässigen Erzählverfahrens, das seinen Filmen oftmals den Status der „mindgame-movies“ einbrachte. Sein neuer Film ist da keine Ausnahme, die Erwartbarkeit dieser narrativen Muster entzaubern diesen neuen Film indes derart, dass er droht, doch wieder schnell in Vergessenheit zu geraten.

Macher von „The Sixth Sense“

M. Night Shyamalan machte sich Ende der 90er-Jahre einen Namen mit dem Kassenerfolg „The Sixth Sense“ (1999), den er darauffolgend mit „Unbreakable“ (2000) zu wiederholen versuchte – das sind Filme, die dem Prinzip des unzuverlässigen Erzählens folgen und deshalb gerne der Postmoderne zugerechnet werden. Bei diesen Shyamalan-Filmen muss der Zuschauer am Ende neu bewerten: Was stimmt denn nun? Dann bedient der amerikanische Filmemacher mit indischen Wurzeln auch eine publikumsträchtigere Linie, die zwar auf verlässlicher Narration aufgebaut ist, den Zuschauer aber ebenso mit unerklärlichen Phänomenen und Ängsten konfrontiert („Signs“ 2002, „The Village“ 2004). Deshalb bewegen sich seine Filme oftmals an der Schnittstelle zwischen Science-Fiction und Horrorkino, die mit wirkungsmächtigen Thriller-Elementen kombiniert werden.

Wenn „The Sixth Sense“ 1999 zum Kassenschlager wurde, dann auch, weil man den Film mehrfach sehen wollte, sein berühmtes „Twist“-Ende hielt für sein Publikum eine überraschende Wendung bereit, die das Publikum einlud, das Gesehene neu zu sichten, neu zu ordnen – der „Plot Twist“ wurde zu der Verkaufsstrategie von Shyamalans Filmen. Oftmals etablieren seine Filme deshalb ein Dualitätsprinzip – in „The Sixth Sense“ gibt es die Welt der Lebenden und das Reich der Toten –, ferner noch erzählen seine Filme von gebrochenen, ambivalenten Helden, die unter Persönlichkeitsstörungen leiden. Sein 2016 erschienener Film „Split“ folgt Kevin Wendell Crumb (James McAvoy), einem Mann mit einer dissoziativen Identitätsstörung, der 23 verschiedene Persönlichkeiten in sich trägt.

Der Film thematisiert die Komplexität der menschlichen Psyche und die Herausforderungen, die mit psychischen Erkrankungen verbunden sind, eher oberflächlich. Aus den spannungsgeladenen und unberechenbaren Identitätswechseln bezieht er vielmehr einen Schockeffekt zur Unterhaltung seines Publikums. Gerne werden Shyamalans Filme deshalb als „mindgame-movies“ bezeichnet; es ist die Einladung und die Warnung, die vor jedem seiner Filme als werbewirksames Moment anmoderiert werden.

Wer ist „The Butcher“?

Sein neuer Film „Trap“ ist einmal mehr auf diesem Dualitätsprinzip aufgebaut. Darin begleiten wir Cooper (Josh Hartnett), einen Feuerwehrmann und liebenswerten Vater, der seine Teenage-Tochter Riley (Ariel Donoghue) auf das Konzert des Pop-Idols Lady Raven (Saleka Shyamalan) begleitet. Das Konzert ist ausverkauft, Vater und Tochter haben sich aber noch gute Plätze sichern können – alles scheint perfekt, zu perfekt. Was als unscheinbarer Konzertbesuch beginnt, kippt dann allmählich ins Unbehagliche, als zahlreiche Polizisten, die in und um die Konzerthalle herum platziert sind, beginnen, die Besucher zu kontrollieren. Ein Serienmörder, der unter dem Namen „The Butcher“ bekannt ist, soll auf dem Konzert sein, das als eine große Falle inszeniert wurde, um den Täter endlich dingfest zu machen.

Da gibt es also den Vater, der mit Hingabe die Rolle des „Concert Dad“ übernimmt, und es gibt einen bestialischen Serientäter – eine Dualität, die kontrastreicher nicht sein könnte, denn sie ist der Träger des „Plot Twist“. Die Wendung ist schnell erraten, der Überraschungsmoment verliert unmittelbar an Wirkung. Unter diesem spezifischen Aspekt ist auch „The Trap“ nicht reizvoll. Die „Plot Twists“ in Shyamalans Filmen wurden über die Jahre hinweg erwartbar und immerzu absehbarer, sie entzaubern sich und damit den gesamten Film gewissermaßen selbst. Dieser Umstand ist dem routinierten Filmemacher durchaus bewusst. Nicht so sehr auf den Twist setzt er in seinem neuen Film, sondern auf die anschließenden Fluchtszenarien, die der Filmtitel implizit verspricht. Es sind ebendiese Prämissen, die im Filmtitel bereits versteckt angelegt sind, die die Neugierde schüren und immerzu zum Weiterschauen einladen.

Wenn „Trap“ seine spannungsreichsten Momente rund um die Ausbruchs- und Fluchtmöglichkeiten in einem geschlossenen Raum nämlich so wirksam einzusetzen vermag, dann weil er auf zwei wichtigen Konstruktionsprinzipien aufbaut. Zum einen ist der Wissensstand seiner Filmfigur an die des Publikums angepasst, ja er ist deckungsgleich. Wir erleben Shyamalans neuen Film aus einer ganz spezifischen Form der filmischen, internen Fokalisierung. Nie weiß der Zuschauer mehr als sein zwielichtiger Held, alles muss sich aus seiner Erlebnisperspektive unmittelbar auch für das Publikum erschließen. Zum anderen respektiert der Film weitgehend die Einheit von Ort und Zeit; die erzählte Zeit ist beinahe ebenso deckungsgleich gestaltet wie die Erzählzeit.

Der Konzertabend, den der Film abbildet, entspricht grob der etwa zweistündigen Laufzeit des Films – nur gegen Ende, wo die Öffnung des filmischen Raums einsetzt, wird dieses Konstruktionsprinzip zugunsten eines rasanteren Erzähltempos vernachlässigt. Daraus schafft Shyamalan eine Mischung aus Suspense-Thriller und Konzertfilm, die der doppelten Identität des Helden Rechnung tragen. Dem Familienvater will man die Flucht gönnen, dem Serienmörder nicht. Motivisch fügt Shyamalan so Szenen ein, die sowohl Ausdruck von Coopers Güte als auch seiner Menschenverachtung sind. Immer wieder platziert er mysteriöse Hinweise, die auf eine Zweitsichtung zielen, und wieder inszeniert er sich in einem Cameo-Auftritt selbst. Diese überaus deutlichen Reverenzen an Alfred Hitchcock können indes nicht verbergen, dass „Trap“ sich selbst in die Falle geht: Je mehr sich die Situation für den Protagonisten zuspitzt, je auswegloser seine Flucht wird, desto unplausibler und enttäuschender gestalten sich die Wendungen, die der Wendung halber einsetzen.

Bessere Alternativen

Auch diese Form der Konstruktion und Manipulation filmischer Raumzeit ist nicht neu und Shyamalans „Trap“ ist wahrlich kein bedeutsamer Vertreter davon. Ein oftmals übersehener Film von Brian de Palma, diesem bedeutsamen Hitchcock-Epigonen, ist „Snake Eyes“ (1999): In einer Boxarena wird ein politisch motiviertes Attentat auf den Verteidigungsminister verübt und der freimütige und etwas zwielichtige Polizeidetektiv Rick Santoro (Nicolas Cage) wird an der Aufklärung des Falls beteiligt. Was zunächst als religiöser Fanatismus abgetan wird, entpuppt sich nach und nach als eine groß angelegte Verschwörung, in die auch Santoro eingeplant wurde.

Palma erzählt sein Huis clos viel beklemmender: Mittels Rückblenden und multipler Blickwinkel legt er immer neue Facetten des Komplotts frei, dessen Aufklärung sich innerhalb einer einzigen gewitterverhangenen Nacht abspielt. Freilich war dieser Film mehr an der filmischen Präsentation seiner Ereignisse, seiner Form interessiert, als an seinem Inhalt. Shyamalans Film kann indes beide Ebenen nicht sinnvoll auf sich abstimmen. So wie sein vorheriger Film „Old“ eine Mischung aus angestrebtem philosophischen Existenzialismus war – eine Reflexion über die Zeit, das Verleben eines Lebens – und durch eine offenkundige Hinwendung zu unterhaltsamen Schauermomenten auffiel, die ganz deutlich M. Night Shyamalans Hang zur willentlichen Erzeugung des Schocks zuzurechnen sind, verhält es sich auch hier. „Trap“ geht von einer spannungsvollen Prämisse aus, jedes Detail wird bedeutsam, jede Großaufnahme von Gegenständen wird aufgeladen, jede noch so unscheinbare Geste wird ambivalent – alles kann Hinweis oder falsche Fährte sein, in allen Fällen ergibt sich für „Trap“ daraus ein intensives Kinoerlebnis, das indes ebenso schnell wieder abflacht, sobald der Abspann einsetzt.

„Trap“, neu  im Kinepolis Belval und Kinepolis Kirchberg