FR.A.RT (50)Trixi Weis, 1967, Esch

FR.A.RT (50) / Trixi Weis, 1967, Esch
Trixi Weis Foto: Anouk Flesch/Editpress

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Eine Serie über luxemburgische Künstlerinnen wäre unvollständig ohne Trixi Weis. Weis wuchs in Luxemburg-Stadt auf, studierte in Brüssel und Prag Kunst und arbeitet seit 1997 hierzulande als freischaffende Installations- und Performancekünstlerin sowie als Bühnenbildnerin. Sie schafft beständige Installationen, wie die elektronische Uhr am 100,7-Gebäude auf Kirchberg, und andere, vergängliche, wie einen essbaren Garten im Petrusstal oder schmelzende Eisblöcke vor der Festung Drei Eicheln. 2013 gründete sie die „Association des artistes plasticiens du Luxembourg“ (AAPL). Ihr neuestes Werk ist eine „Kamelleschmelz“, die sie im Rahmen von Esch2022 erschafft*.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.

Trixi Weis: Sozial, sorgfältig und einfallsreich.

Wie kam es, dass Sie Künstlerin geworden sind?

Das kam sehr natürlich. Als Kind mochte ich es, mich zu verkleiden und zu malen. Ich stamme aus einer kulturinteressierten Familie, in der es mütterlicherseits Bildhauer und Designer und väterlicherseits einige Autoren gab. Man wird Künstler*in, weil man Freiheit und Autonomie will. Es ist mehr als ein Beruf, es ist ein Lebensprojekt.

Was wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit in den Betrachtenden auslöst?

Ich will sie dazu einladen, sich auf meine Werke einzulassen und sich darin wiederzuerkennen. Ich schaffe nie nur Skulpturen auf Sockeln. Jedes meiner Werke erzählt eine Geschichte und ist so inszeniert, dass man damit interagieren kann. Auch wenn ich autobiografische Themen behandle, sind das Erfahrungen, die viele von uns teilen – wie Einsamkeit, Feiern oder Sexualität. Meistens gibt es auch eine kritische Seite, die aber subtil bleibt.

Sind Sie Antikapitalistin?

Nein – ich habe ein Auto und würde mich als „bon vivant“ beschreiben. Aber ich bin keine Materialistin. Mir war es nie wichtig, im kapitalistischen System mitzumachen, zumal, da ich für niemanden direkt verantwortlich bin – was rückblickend vielleicht etwas naiv und idealistisch war. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstler*innen habe ich keine Angst davor, Werke zu schaffen, die nicht dauerhaft in der Zeit sind. Sie sind meist ephemer, performativ oder interaktiv. Ich mache das, obwohl ich weiß, dass ich für einige Zeit Sklavin meines Werkes sein und nichts verdienen werde. Finanziell bin ich auf Unterstützung von außen angewiesen.

Worum geht es bei Ihrem aktuellen Werk „Kamelleschmelz“?

Die „Kamelleschmelz“ befindet sich im FerroForum in der alten „Schmelz“ zwischen Schifflingen und Esch. Sie ist das Resultat eines Remixes von zwei Erinnerungen: einerseits die an meine Oma, die in den Ferien in Südfrankreich warmes Karamell auf den geölten Tisch goss und anschließend in Stücke schnitt, und andererseits an den Elektrostahlofen in Belval, wo aus flüssigem Metall Stahl hergestellt wurde. In der Kamelleschmelz habe ich die Basisetappen der Stahlherstellung nachgestellt, um das Grundprinzip der Schmelz verständlich zu machen. Es ist zweifelsfrei das komplexeste Projekt meiner Karriere.

Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Ich glaube, es ist nicht leicht, mit mir zusammenzuarbeiten. Mein Traum wäre es, mit vielen verschiedenen Künstler*innen aus der visuellen Kunst, der Musik und dem Theater ein großes Performance-artiges Event zu schaffen, bei dem es um Austausch und Kreation geht. Es wäre eine Art „Get Together“ wie in den 60ern, am liebsten mit Idolen von früher wie Louise Bourgeois und Patti Smith.

Welchen Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?

Das größte Problem ist der fehlende bezahlbare Wohnraum, und das begrenzt sich leider nicht auf die Kunstwelt. Viele Menschen haben Probleme, Miete zu zahlen oder überhaupt Wohnraum zu finden. Mit der Schaffung der Ateliers in Verlorenkost durch die AAPL habe ich versucht, dagegen anzukämpfen.

Wie erfahren Sie die Kunstszene als Frau?

Das Künstlerleben verlangt Verzicht in anderen Bereichen. Ich habe beispielsweise entschieden, keine Kinder zu bekommen. Viele Mütter geben die Kunst auf, weil sie keine Zeit mehr haben. Generell gesehen studieren an Kunstschulen mehr Frauen als Männer, aber in Museen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Das liegt nicht selten an der Museumsdirektion – man kann beobachten, dass sich die Programmgestaltung von Museen mit einer Frau an ihrer Spitze ändert.

Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?

Ich würde mir regelmäßigere Ausstellungen mit luxemburgischen Künstler*innen im Mudam oder andernorts wünschen. Aus dem Mangel heraus gibt es immer mehr Ausstellungen, die von den Künstler*innen selbst organisiert werden, wie Cueva oder Fuelbox. Das Bild vom visuellen Künstler in der Gesellschaft hinkt denen von anderen Kunstformen hinterher, und das muss erneuert werden. Unter anderem durch den neuen Kulturentwicklungsplan und einer sehr kompetenten Ministerin kommt das langsam ins Rollen.

Wo wollen Sie in zehn Jahren sein?

Ich will mehr Zeit in die Realisierung meiner eigenen künstlerischen Ideen investieren können, im Ausland etwas mehr Sichtbarkeit erlangen und vielleicht finanziell stabiler dastehen. Noch wichtiger wäre mir, wieder in einer harmonischeren Gesellschaft zu leben. Momentan durchleben wir eine Art Science-Fiction, in der vieles auf den Untergang der aktuellen Gesellschaft hindeutet.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Su-Mei Tse, mit der ich einige Gemeinsamkeiten teile.

*) Sponsoren: ONS, Esch2022, Paul Wurth SA, Fondation Indépendance by BIL, Lycée Privé Emile Metz und Lycée des arts et métiers