„Belong“ und „Kollatronica“Wo Vielfalt und Nachhaltigkeit mehr als Hashtags sind – zwei Escher Festivals leben es vor

„Belong“ und „Kollatronica“ / Wo Vielfalt und Nachhaltigkeit mehr als Hashtags sind – zwei Escher Festivals leben es vor
 Fotos: Laura Giacomini

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Inklusion und Zusammenhalt, aber auch Umweltschutz und Nachhaltigkeit – Schlagwörter, die, passend zum Zeitgeist, auch immer häufiger den Weg ins Unternehmertun und in Marketing-Abteilungen finden. Doch wie oft werden sie  – zumindest so weit wie möglich – vorgelebt? Zwei Festivals, die diese Werte befolgen, haben am Wochenende Menschen zusammengeführt und kleine Klang-Oasen im Escher Zentrum gebildet.

Zwei Festivals, vier Tage insgesamt – rechnet man die beiden Events zusammen – und unzählige Musikliebhaber: Das Bâtiment4 in Esch stand vom 15. bis zum 18. August im Zeichen der Klänge. Während im Inneren und auf der „Piazza“ vor dem Gebäude das „Belong World Music Festival“ von Donnerstag bis Freitag stattfand, lud das „Kollatronica“, organisiert von der „Kolla Asbl“, gleich daneben im Außenbereich von Freitag bis Sonntag zum Chillen und Tanzen zu elektronischer Musik an. Bei beiden Veranstaltungen wurde die aktive Teilnahme großgeschrieben.

Klang-Fusionen

Kernpunkt des „Belong“ ist das Zusammenführen und Feiern des multikulturellen Erbes in Luxemburg. Im Mittelpunkt: Musik, Tanz, Film und Kunst. Die Künstler*innen? Aus Brasilien, Venezuela, dem Iran, Irland und zahlreichen anderen Ländern. Die Workshops und Masterclasses? Alle kostenlos. Eine Besucherin des „Belong“-Festivals berichtete gegenüber dem Tageblatt, dass sie gerne bei etlichen weiteren Aktivitäten reingeschnuppert hätte, doch dadurch, dass vieles zur gleichen Zeit stattfand, musste sie eine Wahl treffen.

Diese Kurse reichten von traditioneller persischer Musik mit dem renommierten Musiker Kourosh Ghasvineh über Flamenco mit der Tänzerin Rosa María Fernández bis hin zum Film-Know-how mit Elmano Pereira. Auf der „Piazza“ vor dem Bâtiment4 lehrte Adham Al-Sayyad zahlreichen Interessierten, wie sie ihre eigene Kawala und Arghoul – ägyptische Flöten, die mehr als 4.000 Jahre alt sind – bauen konnten.

V.l.: Achal Murthy (Bassist, u.a. bei Atomic Rocket Seeders), Thành Nam Mai (auf traditionelle Musik aus Vietnam spezialisiert und aus Paris angereist) und der in Luxemburg lebende Komponist mit vietnamesischen Wurzeln Hy-Khang Dang
V.l.: Achal Murthy (Bassist, u.a. bei Atomic Rocket Seeders), Thành Nam Mai (auf traditionelle Musik aus Vietnam spezialisiert und aus Paris angereist) und der in Luxemburg lebende Komponist mit vietnamesischen Wurzeln Hy-Khang Dang

Ein großer Fokus schien dieses Mal auf traditionelle Musik aus Indien gelegt worden zu sein: Davon zeugte unter anderem das Konzert der Band Lakkshya, die extra für das Festival aus Bangalore angereist war und den Besuchern die karnatische Musik – klassische Musik aus Südindien – näherbrachte. Als hindustanische Musik wird derweil die klassische nordindische bezeichnet, die stark vom persischen Kulturraum beeinflusst wurde und auch in Nepal, Pakistan und Bangladesch verbreitet ist. Mit dem Sitarlehrer und Gitarristen KG Westman, der aktuell in Schweden lebt, war auch hier ein Mann vom Fach zur Stelle.

Der ursprünglich aus dem Bundesstaat Rajasthan im Norden Indiens stammende Musiker Mosin Kawa freute sich insbesondere darüber, am 15. August in Esch auftreten zu können. An diesem Tag wird nämlich Indiens Unabhängigkeit vom britischen Empire gefeiert. „Ich freue mich darüber, einige Momente vom gestrigen Konzert auf dem schönen ,Belong World Music Festival‘ mit KG Westman an diesem sehr besonderen Tag, Indiens Unabhängigkeitstag, mit euch zu teilen“, schrieb der Multi-Instrumentalist gleich im Anschluss an seinen Auftritt auf Facebook. Und weil beim „Belong“ der Gedanke der Fusion und globalen Verbindung durch Musik großgeschrieben wird, stand unter anderem ein indisch-ägyptisches „Fusion Concert“ auf dem Programm.

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Open-Air-Musiktempel

Ebenso eklektisch und weltoffen ging das „Kollatronica“ über die Bühne. Hier stand die elektronische Musik in all ihren Formen im Fokus und da, wo man sich bei manchen Musik-Events in Luxemburg, die sich selber als „divers“ bewerben, die Frage stellen kann, inwieweit diese Selbstbezeichnung zutrifft, konnte das „Kollatronica“ mit einem Line-up punkten, das durchaus Diversität widerspiegelte. Mit unter anderem Miss Sappho und Deng Mama, Mitglied des Duos Gebeesshoueren, war die Luxemburger DJane-Szene gut vertreten. Die zwischen Luxemburg, Deutschland, Belgien und Österreich pendelnde Yoni ist derweil für ihre Afro-House- und Afro Tech-Sets bekannt, bewegt sich aber auch in anderen Bereichen. House-Musik stand bei K.leo.patra im Fokus.

Lokale Speisen und Getränke, Dekoration aus weggeworfenem Material, Workshops wie T-Shirt-Design und eine Fahrrad-Reparatur-Station – mit solchen Beiträgen positionieren sich die diversen „Kolla“-Veranstaltungen als nachhaltige Events, die den Besuchern andere Lebensweisen näherbringen, zum Nachdenken anregen, aber auch Kontakte mit Gleichgesinnten herstellen. Das „Kollatronica“ als eine Mischung aus Open-Air-Disko und Chill-out-Bereich reiht sich in die Bemühungen ein, Konzepten wie „Do-it-yourself“ und „Reparieren statt wegwerfen“ einen Raum zu geben. Ohne Grenzen oder Zwänge.