Corona-Tagebuch (40)Freitag, 1. Mai: Angst, Wut, Ärger …

Corona-Tagebuch (40) / Freitag, 1. Mai: Angst, Wut, Ärger …
Es ist zum Haareraufen: Roger Infalt findet, dass die Aggressivität in der Bevölkerung steigt Foto: privat

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Das Coronavirus beherrscht weiter das Leben in Luxemburg. Die Lage ist ernst, jedoch nicht hoffnungslos. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch im Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt.

Hallo, liebes Tagebuch. Nach sieben Wochen, während derer ich unter anderem Maler-, Gärtner-, Elektriker-, Schreiner- und Maurerarbeiten neben meiner journalistischen Aktivität, so gut, wie es nur ging, verrichtet habe, gehen mir die handwerklichen Projekte langsam, aber sicher aus. Ich könnte vielleicht die Hecken und Sträucher rund ums Haus ein zweites Mal kürzen, doch das lasse ich lieber sein, denn ich möchte wirklich nicht erneut mit meinem Grünschnitt zwei Stunden mitten auf der N7 vor dem Recyclinghof Schlange stehen.

Also muss der kleine Vierbeiner dran glauben. Chicco versteht zurzeit die Welt auch nicht mehr. Er verdrückt sich schon, wenn ich zum sechsten Mal am selben Tag zur Hundeleine greife. Dabei schaut er mich mitleiderregend an, so, als wolle er sagen, dass man Gassigehen auch übertreiben kann.

Egal wie, ein Spaziergang tut gut. Auch am Tag der Arbeit. Unterwegs begegnete ich einem langjährigen Bekannten, der mir aber gleich lauthals vorwarf, ich hätte ihn am Vortag nicht gegrüßt. Der reagierte doch sonst nicht so aggressiv. Hatte er sein wahres Gesicht bis dato auch schon hinter einer Maske versteckt?

Apropos: Seit Tagen werde ich das Gefühl nicht los, dass die Aggressivität innerhalb der Bevölkerung steigt. Vielen erscheint jetzt die Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Gefahr und den eigenen Handlungsmöglichkeiten zu groß. Angst, Wut, Ärger, Hilflosigkeit, Nervosität sowie aggressives Verhalten machen sich breit. Schuld daran scheint nicht nur das Coronavirus zu sein. Der Unmut steigt meines Erachtens auch mit jedem Tag, an dem die von der Regierung ach so gepriesene Transparenz eher einer dichten Nebelwand gleicht.

Zum Schluss, liebes Tagebuch, muss ich dir noch sagen, dass ich heute zusammen mit meiner Frau einmal mehr in den Fotoalben herumgestöbert habe. Dabei kommen immer wieder die gleichen Fragen hoch: Was sollen unsere zwei Enkelkinder im Moment tun? Wann können wir sie endlich wieder in unseren Armen halten? Wie soll es meiner 95-jährigen Schwiegermutter gehen, die positiv auf Covid-19 getestet wurde und nun seit drei Wochen in einem Klinikum gepflegt werden muss? Wie geht es dem Rest der Familie, den Freunden und Bekannten?

Plötzlich stand Chicco winselnd vor uns, die Hundeleine in der Schnauze. Er hatte die eine oder andere Träne auf unseren Wangen bemerkt und wollte ablenken. Was ihm auch gelingen sollte …

Das Tageblatt-Tagebuch

Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu wahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit dem 16. März (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.

de Prolet
2. Mai 2020 - 19.02

Bedingt durch den Frust, so manche Einschränkungen einhalten zu müssen und auf verschiedene, oft überflüssige, Annehmlichkeiten verzichten zu müssen, steigt die Aggressivität bei verschiedenen Mitbürgern. Es wurde allerdings auch noch nie so viel Sport getrieben. In Wald, Feld, Flur oder auf den Radwegen wird gejoggt, gewandert und radgefahren auf Teufel komm raus. Möglicherweise eine Folge der geschlossenen Fitness-Studios oder sonstigen Sportstätten, wie Schwimmbäder. Ein Glück, dass bislang das Wetter mitgespielt hat.