Die Sport-Mafia

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(dpa)

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"Ich denke, der Sport ist in Gefahr. Und zwar nicht nur die Olympischen Spiele, sondern der Sport im Allgemeinen.“ Dass Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees IOC, solch drastische Worte ausspricht, hat seinen Grund.

Denn der Sport hat in den letzten Jahren neben dem Doping ein Kardinalproblem hinzubekommen: die Wettmanipulation, die seit der Einführung der Live-Wetten über das Internet boomt und von mafiaähnlichen Organisationen gesteuert wird.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Das Geschäft ist lukrativ und birgt nur kleine Risiken, denn der Beweis der Einflussnahme auf Sportergebnisse ist äußerst kompliziert. Wer kann schon sagen, dass der Torwart einen Ball absichtlich hat passieren lassen, oder ob ein Tennisspieler die Filzkugel absichtlich ins Netz geschlagen hat?

Interessant macht die Sache für die schwarzen Schafe zudem noch, dass die Strafverfolgung von Sportkorruption von Land zu Land unterschiedlich geregelt ist.

Geschätzte 300 bis 600 Milliarden Euro werden jährlich mit Sportwetten umgesetzt. Allein auf das Finale der Fußball-Champions-League 2011 wurde eine Milliarde Euro gewettet. Der Fußball wird so in gewisser Hinsicht Opfer des eigenen Erfolgs.

Ein Drittel des Umsatzes, so schätzen Experten, wird durch illegale Wettbüros generiert. Tendenz steigend, denn der Kunde orientiert sich in der Regel an den besten Quoten. Und die bieten die illegalen Wettbüros, schließlich brauchen sie keine Steuern zu zahlen. Bereits jetzt sind 75 Prozent der Wettanbieter im Internet illegal.

Für einen Sportler kann so das Verlieren plötzlich lukrativer werden als das Gewinnen. Nämlich dann, wenn er von der Wettmafia für die Spielmanipulation „rekrutiert“ wurde. Das geschieht meist mit System, ähnlich wie bei der Talentsichtung durch sogenannte Scouts. Schnell gerät ein Sportler so in einen Teufelskreis.

95% der Spiele sauber?

Die UEFA glaubt, dass 95 Prozent ihrer Fußballspiele „sauber“ sind. Andere Schätzungen sind weniger optimistisch: Der Präsident des größten französischen Wettanbieters Française des Jeux, Christophe Blanchard-Dignac, geht davon aus, dass eines von vier Spielen manipuliert ist. Das hört sich nach viel an, ist es aber in Anbetracht der unterschiedlichsten Wettformen nicht unbedingt. In England kann man zum Beispiel auf eine Rote Karte in den ersten zehn Spielminuten wetten (in Frankreich oder Belgien dagegen nicht). Und bei illegalen Wettanbietern ist jede noch so abwegig erscheinende Sportwette möglich, weshalb die Dunkelziffer der Manipulationen ganz erheblich sein dürfte.

Mit Konventionen ist da wenig zu erreichen. Durch die Verstrickung des organisierten Verbrechens in die Wettmanipulationen ist eher Interpol gefragt. Zumal Sportwetten sich ebenfalls exzellent zum Weißwaschen von Geld eignen.

Rogges Warnung ist also durchaus ernst gemeint. Denn die Spielmanipulation bedroht genau wie das Doping die fundamentalen Werte des Sports wie etwa Fair Play oder den Respekt gegenüber dem Gegner. Und die Häufung der Wettskandale in den letzten zehn Jahren (Hoyzer, Calciopoli, Debrecen, Griechenland, Türkei, Belgien, Siena) lässt nichts Gutes ahnen.

Das IOC jedenfalls ist bereit, eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Wettmafia zu übernehmen. Ohne Hilfe der staatlichen Instanzen wird es allerdings nicht gehen.