Mehr als nur Geld

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(dapd)

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Hat Luxemburg keine größeren Probleme, keine andere Sorgen, wird sich so mancher Bürger dieses Landes gefragt haben, als am Mittwoch der Bericht bezüglich der Beziehungen zwischen Glaubensgemeinschaften und Staat vorgelegt wurde.

Und ja, in Zeiten einer verhältnismäßig hohen Arbeitslosigkeit und Hiobsbotschaften der vergangenen Tage und Wochen im Industriesektor ist die Verunsicherung bei weiten Teilen der Bevölkerung hinsichtlich der finanziell-wirtschaftlichen Zukunft des Großherzogtums sicherlich sehr groß und durchaus verständlich. Schließlich geht es, wenn man von einem Tag auf den anderen ohne Job, ohne Perspektiven dasteht und die Politik kaum Mittel zu haben bzw. zu finden scheint, um dem Negativtrend auch nur ansatzweise etwas entgegenzusetzen, ums nackte Überleben.

Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu

Aber genau diese Politik, die in den erwähnten Bereichen jede kohärente Strategie vermissen lässt (oder wenn sie eine hat, diese im Sinne der Beruhigung der Bürger bisher nicht vermitteln kann), hat auch eine Rolle zu spielen, die über rein wirtschaftliche, beschäftigungspolitische Fragen hinausgeht. Die verschiedenen politischen Ressorts sind ja nicht exklusiv: Wenn sich die Regierung mit einer vermeintlichen Krise beschäftigt, heißt dies ja nicht zwangsläufig, dass andere Bereiche des alltäglichen Lebens vernachlässigt werden müssen oder sollen. Es ist kein Entweder-oder.

Schließlich besteht eine der Hauptaufgaben der Volksvertreter, ob in Krisenzeiten oder nicht, darin, die Kohärenz in der Gesellschaft zu erhalten, Chancengleichheit oder zumindest Chancengerechtigkeit zu fördern. Und diese Aufgabe geht weit über den finanziellen Aspekt der Politik hinaus. Da geht es um Bildung, da geht es punktuell um die Selbstbestimmung der Frau (Stichwort Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen) und um den Abbau aller anderen Formen von Diskriminierung (Stichwort Homoehe). Und da geht es dann eben auch, ohne Umwege, um die Beziehung zwischen Kirche und Staat.

Intransparent und undemokratisch

Sicherlich geht es dabei auch darum, wie die Experten feststellten, dass die Religionsgemeinschaften Staat und Gemeinden pro Jahr 58 Millionen kosten. Vor allem in klammen Zeiten, wo das Geld an anderer Stelle sicherlich dringender benötigt würde.

Aber es geht um mehr als um diese Summe. Es geht darum, dass die erwähnten Millionen zu einem übergroßen Teil in ein oder mehrere Systeme fließen, die zutiefst intransparent (sowohl finanziell als auch strukturell), undemokratisch und diskriminierend sind und funktionieren. Also in allem Handeln genau das Gegenteil dessen verkörpern, was der Staat eigentlich prinzipiell sein will.

Alleine diese Feststellung müsste schon ausreichen, um schnellstmöglich eine Trennung von Kirche und Staat herbeizuführen und die zur Verfügung gestellten Mittel aufs Kritischste unter die Lupe zu nehmen.

In einer modernen, offenen Gesellschaft im 21. Jahrhundert sollte ein jeder entsprechend dem Prinzip der Geistesfreiheit die Möglichkeit haben, frei und nach gutem Wissen und Gewissen zu entscheiden, ob und welche Religionsgemeinschaft er unterstützen will.

In diesem Sinne ist es zwar prinzipiell begrüßenswert, dass mit dem Expertenbericht und den nun gewünschten Diskussionen das Thema angegangen werden soll.

Blauäugig muss man deshalb aber nicht sein. Wer die Funktionsweise des katholischen Apparates auch nur ansatzweise kennt, wird wissen, dass die römische Kirche auf kein, und sei es noch so geringes Machtprivileg freiwillig verzichten wird. Ganz im Gegenteil, sie wird alles daransetzen, die nun begonnenen Diskussionen für ihre Zwecke zu nutzen. Sie wird versuchen, sich als offene, als moderne, diskussionsbereite Vereinigung darzustellen. Dass sie sich aber auch bereits in der Vergangenheit für die Gleichbehandlung aller Glaubensgemeinschaften ausgesprochen hat und in der jüngeren Vergangenheit vor allem in der Person des Jesuiten-Erzbischofs verstärkt und öffentlichkeitswirksam den Schulterschluss mit den anderen Glaubensgemeinschaften sucht, hat weniger mit Offenheit und Toleranz als mit strategisch klar durchdachtem Selbsterhaltungstrieb zu tun.

Denn der Kirche kann man nämlich vieles vorwerfen, nur dumm ist sie nicht. Was sie auch so gefährlich macht.