Die Zwangspause könnte viel länger dauern

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LUXEMBURG - Die Anlagen von ArcelorMittal in Rodange und Schifflingen könnten das ganze Jahr über geschlossen bleiben. Die Unternehmensführung spricht von einer längeren Einmottung.

Keine Besserung am Stahlhimmel. Die Anlagen in Rodange und Schifflingen bleiben das ganze 1.Trimester 2012 geschlossen, vorerst. Gewalzt werden nur Spezialprodukte. So arbeitet die Walzstraße A in Rodange (Träger und Schienen) auf zwei Schichten, die Drahtstraße in Schifflingen auf einer Schicht einmal im Monat, sagt Generaldirektor Michel Wurth.

Generaldirektor Michel Wurth: „Wenig profitable Anlagen haben geringe Überlebenschancen“. (Foto: Didier Sylvestre)

Der Stahlkonzern geht laut Wurth von zwei Szenarien aus: Sollten sich die Aussichten für die zweite Hälfte 2012 verbessern, könnte die Wiederaufnahme der Produktion in Betracht gezogen werden. Falls nicht, müssten die Anlagen weiter stillstehen. „Wir gehen nicht in die Stahltripartite mit der Absicht einer definitiven Schließung, wohl aber mit dem Szenario einer möglichen längeren Einmottung“, betont Wurth. Regierung, Gewerkschaften und Unternehmensführung treffen sich am 14. Dezember.

Bereits im Sommer hatte man Überkapazitäten im Stahlbereich in Europa festgestellt, erklärt Wurth. In Europa könnten diese Überkapazitäten nicht kurzfristig abgebaut werden. Daher auch die Entscheidung mehrere Anlage vorübergehend zu schließen: Rodange und Schifflingen in Luxemburg, ein Werk in Madrid in Spanien, alles Standorte wo Langstahlprodukte hergestellt werden. Die Schließungsbeschlüsse betreffen jedoch nicht nur diese zwei Länder. Eingemottet oder geschlossen wurden auch Anlagen in Belgien, Frankreich und Deutschland. In Brasilien wurden Investitionen vorerst auf Eis gelegt. Die Entscheidung Produktionsanlagen zu schließen falle nicht leicht, betont Wurth.

Puffer CDR

Personal wird bei ArcelorMittal nicht entlassen. Noch immer gilt die zu Arbed-Zeiten ausgehandelte Lohn- und Beschäftigungsgarantie. Die überschüssigen Mitarbeiter kommen in die „Cellule de reclassement“. Die CDR ist eine betriebsinterne Abteilung für Leiharbeit. Sie nimmt die in der Produktion überzähligen Mitarbeiter auf. Die Beschäftigten werden in anderen Werken zu Wartungsarbeiten eingesetzt oder aber an externe Betriebe „verliehen“ etwa an Gemeinden und staatliche Einrichtungen. Der Aufenthalt in der CDR wird auch zu Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter genutzt. Der Vorteil der CDR: Springt die Konjunktur an und steigt die Nachfrage, können die Mitarbeiter gleich zurück in die Produktion. Die CDR wird teilweise vom Staat mitfinanziert. Für den Staat sei diese Variante günstiger als Kurzarbeit, so Wurth.

Derzeit dürften um die 600 Personen in der CDR sein. Was mit ihr nach März 2012 sein wird, soll bei der Stahltripartite diskutiert werden. Mit den Gewerkschaften wird darüber im Vorfeld der Dreierrunde am 14. Dezember gesprochen. Eine weitere Arbeitsgruppe befasst sich mit den langfristigen Perspektiven des Standortes Luxemburg, Stichwort Lux2014 – ein Programm, das neben dem Personalbestand in den ArcelorMittal-Werken in den kommenden Jahren und Produktivitätszielen auch Investitionen in Produktionsanlagen vorsehen soll.

Problembetriebe

Wie sieht die Zukunft der Luxemburger Standorte aus? „Die Stahlnachfrage liegt 25 Prozent unter dem Niveau von 2007“, sagt Wurth. Das Angebot müsse dem angepasst werden. „Wenig profitable Anlagen haben geringe Überlebenschancen“. Schifflingen und Rodange seien anfällig. Problematisch sind Wurth zufolge Standorte für Massenware, zu denen die Zwischenprodukte angeliefert werden müssen. Zum Beispiel Stahlbarren aus Schifflingen für die Walzstraßen in Rodange. Das Vorprodukt muss dann erneut erhitzt werden. Zusätzliche Transport- und Energiekosten fallen an. Bei einer Strukturkrise sei das ein Nachteil. Die Rede sei demnach nicht nur von Lohnkosten.

Unterschiedlich stellt sich die Frage der Überlebensfähigkeit bei Werken aus der sogenannten Peripherie, so die Drahtziehereien in Bissen und Bettemburg oder das Galvanisierungswerk in Düdelingen. In Düdelingen etwa habe man mit der Produktionsaufnahme von Usibor, einem Superstahl für die Automobilproduktion, eine Diversifizierung eingeleitet. Gut aufgestellt sei auch Bissen, das Spezialdraht herstellt, zum Beispiel wetterbeständiger Draht für den Weinbau. Keine Probleme sieht Wurth auch für die Produktion auf der neuen Mitteleisenstraße Belval, die modernste in Europa, oder für Differdingen, wo unter anderem Grey-Träger hergestellt werden.

Sägedraht: Nachfrage zurückgegangen

Etwas kritischer könnte es für Bettemburg werden. Dort wurde bis vor einigen Jahren noch Steelcord für Reifen gezogen. Ein Produkt das jedoch nicht mehr rentabel ist. Also stieg man 2007 auf die Herstellung von Saw-wire um. Sägedraht dient zum Schneiden von Solarpanelen. Hier sei der Markt 2011 eingebrochen, so Wurth. Das Werk fährt ein solides negatives Resultat ein. Wie es weitergehen soll, ist noch unklar.

Warnstreik

Klar ist indes, dass in den Luxemburger Werken am 7. Dezember ein 24stündiger Warnstreik ansteht. Er könne die Sorgen der Menschen angesichts der internationalen Unsicherheiten durchaus verstehen, sagt Wurth. Er bedauere jedoch, dass europaweit und insbesondere in Luxemburg nun Aktionen anstünden.

Schließlich handele es sich bei ArcelorMittal in Luxemburg um einen Betrieb, in dem man stets bemüht war, die sozialen Folgen von Restrukturierungen auf ein Minimum zu reduzieren. Sollte dies zu einer Verhärtung der Fronten und zu einer Verschlechterung des Sozialdialogs führen, sei das bedauerlich.