DeutschlandScholz: „Erst mal ist es überhaupt bemerkenswert, dass wir so weit gekommen sind“

Deutschland / Scholz: „Erst mal ist es überhaupt bemerkenswert, dass wir so weit gekommen sind“
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz will noch einmal als Kanzlerkandidat der SPD antreten Foto: Ralf Hirschberger/AFP

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Olaf Scholz (SPD) hat sich den Fragen der Hauptstadtjournalisten gestellt. Der Kanzler hob Erfolge der Ampel-Koalition hervor, äußerte Sympathien für Kamala Harris und verteidigte die Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland.

Am Ende gab Olaf Scholz noch etwas Nachspielzeit obendrauf. Fast zwei Stunden lang stellte sich der Kanzler bei der traditionellen Sommerpressekonferenz den Fragen der Hauptstadtpresse.

In der Innenpolitik spielten bei der Pressekonferenz der Haushalt und der Sozialstaat sowie Migrationsthemen die größte Rolle. Scholz zeigte sich erfreut über den Haushaltsentwurf der Ampel. „Erst mal ist es überhaupt bemerkenswert, dass wir so weit gekommen sind“, betonte er. Zusammen mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte er wochenlang darum gerungen, eine Finanzierungslücke in zweistelliger Milliardenhöhe zu schließen. Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass die weiterhin bestehende Milliardenlücke im Haushalt 2025 gestopft werden kann. Scholz zeigte sich zudem optimistisch, dass die 16 Bundesländer die im Kabinett beschlossenen Wirtschaftsreformen mittragen und auch ihren Finanzierungsanteil übernehmen. Die Reformen seien nötig, damit Deutschland ein wohlhabendes Land bleibe, sagte Scholz.

Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden

Olaf Scholz

Kritik an dem von der Ampel-Regierung eingeführten Bürgergeld wies er unterdessen zurück. Die Ampel habe eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, um mehr Arbeitskräfte zu aktivieren, sagt der SPD-Politiker. Deutschland habe derzeit eine Rekordzahl an Erwerbstätigen. Die kommenden zwei, drei Jahrzehnte würden von einem Mangel an Arbeitskräften geprägt sein. Scholz bezeichnete sich auch als „Mister Mindestlohn“ und kündigte an, mehr gegen Lohndumping tun zu wollen. Bei der Kindergrundsicherung verwies Scholz auf das bereits erhöhte Kindergeld und den Kinderzuschlag. Ein zweiter Schritt wird voraussichtlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode folgen. Mit Blick auf Prognosen zu steigenden Krankenkassenbeiträgen im kommenden Jahr schloss Scholz Leistungskürzungen aus.

Der Kanzler rief zudem zu mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt auf. „Wir müssen alles dafür tun, dass die Spaltungsunternehmer, die Polarisierungsunternehmer, nicht den Ton in unserer Gesellschaft angeben“, sagte Scholz und verwies auf die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Er verdeutlichte den deutlich schärferen Kurs der Ampel im Umgang mit irregulärer Migration. Deutschland werde bald Straftäter nach Afghanistan und Syrien abschieben, die Rückführungsquote sei bereits um 30 Prozent gestiegen. „Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Ja“, sagte Scholz.

Außenpolitik

Mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA äußerte Scholz Sympathien für die mögliche Kandidatin der Demokraten, Vizepräsidentin Kamala Harris. „Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kamala Harris die Wahl gewinnt“, sagte Scholz. Die Entscheidung darüber träfen aber die Wählerinnen und Wähler in den Vereinigten Staaten. Der Kanzler bezeichnete Harris, die er bei mehreren Begegnungen kennengelernt habe, als „eine kompetente und erfahrene Politikerin, die genau weiß, was sie tut“. Die Stellvertreterin von US-Präsident Joe Biden habe „sehr klare Vorstellungen von der Rolle ihres Landes, von den Entwicklungen in der Welt“ sowie von „den Herausforderungen, vor denen wir stehen“. Er wich der Frage aus, ob er Herausforderer und Ex-Präsident Donald Trump gesprochen habe. Er habe bei seinem Besuch in den USA mit Mitgliedern beider Parteien gesprochen, sagte Scholz. Es gebe immer die Möglichkeit zu Kontakten, die fortgesetzt würden, „egal, wie es weitergeht in den USA“, fügte er hinzu.

Krieg und Frieden

Scholz verteidigte erneut die geplante Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland gegen Kritik auch aus seiner eigenen Partei. Die Entscheidung diene dazu, „dass kein Krieg stattfindet“, sagte Scholz. Deutschland brauche wegen der geänderten Bedrohungslage eine bessere Bundeswehr. Atomwaffen gehörten aber nicht dazu. Eine Aufrüstung in diese Richtung werde es mit ihm als Kanzler nicht geben. „Das halte ich für völlig absurd“, sagte Scholz. Mit Blick auf den Nahen Osten sprach Scholz sich für eine Friedensperspektive und eine Zwei-Staaten-Lösung aus – und verteidigte den bisherigen Kurs der Bundesregierung gegenüber Israel.

Trotz der schlechten Umfragewerte für die SPD zeigte Scholz sich zuversichtlich, dass seine Partei zur Bundestagswahl wieder mehr Unterstützung bekommen werde. „Meine Überzeugung ist, dass wir die Sache gedreht bekommen“, sagte Scholz. Debatten über mögliche andere SPD-Kanzlerkandidaten wies er zurück. Er werde nicht dem Beispiel von Biden folgen, sagte er. Er werde geschlossen mit seiner Partei in die Bundestagswahl gehen. „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden“, so Scholz.

Früher Rechtsanwalt, heute Bundeskanzler

Persönlich  Olaf Scholz, 1958 in Osnabrück geboren, wuchs in Hamburg auf. Er studierte Jura und arbeitete als Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Politik  Scholz trat noch in der Schulzeit in die SPD ein. Er war bei den Jusos aktiv, wurde SPD-Chef in Hamburg. Später war Scholz SPD-Generalsekretär, Bundesarbeitsminister, Erster Bürgermeister Hamburgs und Bundesfinanzminister. Seit 2021 ist Scholz Bundeskanzler.