UkraineSelenskyj will die Hälfte der Minister entlassen, auch Außenminister Kuleba

Ukraine / Selenskyj will die Hälfte der Minister entlassen, auch Außenminister Kuleba
Auch der bisherige Außenminister Dmytro Kuleba (rechts) wird von Präsident Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht Foto: dpa/Michael Kappeler

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Seltsame Szenen spielten sich am Mittwoch in der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament ab. Da betritt Justizminister Denis Maliuska das Rednerpult, die meisten Abgeordneten stehen auf, jubeln ihm zu und klatschen. Ein paar Minuten später wird der 43-Jährige von seinem Posten entbunden. „Wieso entlässt ihr ihn?“, schreibt ein Abgeordneter der kleinen, pro-europäischen Oppositionspartei „Golos“ entgeistert auf Telegram.

Mindestens sechs wichtige Minister von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyjs Regierungskabinett haben in der Nacht zum Mittwoch ihren Rücktritt eingereicht. Sie alle taten es handschriftlich, auch dies reichlich seltsam. Das letzte Rücktrittsschreiben stammt von dem weltweit wohl zweitberühmtesten Ukrainer seit der russischen Invasion, Außenminister Dmytro Kuleba.

Die Minister leiten damit den von Selenskyj bereits zwar vor ein paar Wochen angekündigten, aber dann wieder verschobenen Regierungsumbau ein. Der Fraktionschef der Präsidentenpartei „Volksdiener“ (Ukrainisch: Sluhi Narodu), David Arachamija, sprach am Mittwoch von einem „großen Reset“ der Regierung. „Über 50 Prozent“ der Minister würden nun ausgewechselt, kündigte der Selenskyj-Vertraute an. Die Ukraine hat 22 Ministerien. Ein paar von ihnen sollen nun aber offenbar fusioniert werden. „Der Herbst wird extrem wichtig für die Ukraine“, kündigte Selenskyj in seiner allabendlichen Ansprache am Dienstagabend an, „gewisse Regierungsstrukturen müssen verstärkt werden“, sagte der Staatspräsident.

Ihren Rücktritt eingereicht haben neben Kuleba und Maliuska auch die Europa-Ministerin Olha Stefanischyna, der für die Rüstungsindustrie zuständige Olexander Kamyschin, die für die russisch besetzten Gebiete zuständige Vize-Ministerpräsidentin Irina Wereschtschuk und der Umweltminister.

Maliuschka und Kuleba sind schon seit Jahren im Amt und stammen noch aus Vorkriegszeiten. Beide haben Selenskyj seit seinen Anfängen als noch unbeholfener Staatspräsident ab Mai 2019 begleitet. Kuleba war zuerst Europa-Minister und stieg im März 2020 zum Außenminister auf. In den vergangenen zweieinhalb Kriegsjahren war er das Gesicht der Ukraine im Ausland, auf Dutzenden von Auslandsreisen.

Neue Regierung bis Ende der Woche

Auf ihn leichtfertig verzichten will das Parlament in Kiew offenbar nicht. Am Mittwoch wurde die Abstimmung über Kulebas Abberufung verschoben. Den Rücktritt der beliebten Ministerin für besetzte Gebiete, Wereschtschuk, verweigerte Selenskyjs eigene Fraktion am Mittwoch gar. So konnte Selenskyj nur vier Minister abberufen. Dazu kommen fünf vakante Ministerposten, die im Moment nur vorübergehend besetzt sind. Laut Selenskyjs Plan soll die neue Regierung bis Ende der Woche stehen.

„Das ist der typische Selenskyj-Stil: Nun wird gleich das halbe Kabinett erneuert“, kommentierte in Kiew der Politologe Wolodimir Fesenko. „Er glaubt, dass ein neuer Minister neue Energie und neue Ideen mitbringt und aktiver arbeitet, und erwartet genau dies“, sagte Fesenko Reuters.

Bereits in der Vergangenheit ist Selenskyj durch teils populistische Kahlschlag-Aktionen aufgefallen, etwa bei der Ersetzung sämtlicher Chefs der Rekrutierungsbüros, um den Personalmangel in der Armee zu beseitigen.
Bei Spitzenämtern jedoch können die Entlassenen auf gute neue Ämter zählen. So wurde eine Ex-Justizministerin Botschafterin in der Schweiz und der Ende 2023 ersetzte Oberbefehlshaber ist heute Botschafter in London. Die am Mittwoch entlassene Europa-Ministerin Stefanischyna wird in der Internetzeitung Ukrainska Prawda als neue Justizministerin gehandelt – und Noch-Außenminister Kuleba ist als künftig besonders wichtiger Verbindungsmann zur NATO im Gespräch. 

Oskar
5. September 2024 - 15.12

Der waffenfordernde Präsident sollte sich selbst austauschen. Das wäre ein grosser Schritt in die richtige Richtung zu Frieden.