Säbelrasseln im IndopazifikStrategieexperte White: „Chinas Politik ist bereits festgelegt“

Säbelrasseln im Indopazifik / Strategieexperte White: „Chinas Politik ist bereits festgelegt“
Schießübungen mit Himars-Systemen während der internationalen Militärübung „Talisman Sabre“ in Australien Foto: Andrew Leeson/AFP

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Der Westen rückt angesichts chinesischer Drohgebärden gegenüber Taiwan enger zusammen. Australien wird zum Schauplatz der Solidaritätsbekundung. Inzwischen haben die Amerikaner sogar ein eigenes Kriegsschiff im Hafen von Sydney stationiert. Ein Experte hält die Entwicklungen für einen Fehler.

Seit Ende Juli liegt ein US-amerikanisches Kriegsschiff im Hafen von Sydney vor Anker. Aus der Stationierung der „USS Canberra“ wurde keine große Sache gemacht. Vielmehr ging sie im Meer der Nachrichten unter. In Australien hatte gerade die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen begonnen, in den USA und in Europa brach die Ferienzeit an.

Doch die Stationierung des Schiffes in Australien ist nicht nur etwas Besonderes, weil es das erste Mal ist, dass ein Schiff der US-Marine in Australien in den aktiven Dienst gestellt wurde. Es ist vor allem bemerkenswert, weil es sich in eine Reihe von Schritten einfügt, die zeigen, wie eng der Westen derzeit militärisch zusammenrückt, um Stärke gegenüber China zu zeigen. All dies sei „Teil einer verstärkten Abschreckungsagenda“, sagte Hervé Lemahieu, Forschungsdirektor beim australischen Thinktank Lowy Institute. Diese Agenda habe einen einzigen Zweck, nämlich China davon abzuhalten, „den Status quo in der Region gewaltsam zu verändern“.

Der Westen zeigt Stärke

Das US-amerikanische Schiff ist in diesem Gefüge nur ein Puzzlestück. Erst Ende vergangener Woche ging beispielsweise die Übung „Talisman Sabre“ in Australien zu Ende. Neben den Gastgebern USA und Australien reisten dafür 30.000 Soldaten aus 13 Ländern an, darunter aus Indonesien, Japan, Südkorea, Frankreich und Großbritannien. Auch 240 deutsche Soldaten probten im Norden Australiens den militärischen Ernstfall. Die Japaner schossen im Rahmen des Manövers sogar erstmals einen Seezielflugkörper knapp 200 Kilometer südlich von Sydney ins Meer ab. Ebenfalls Ende der vergangenen Woche wurde zudem bekannt, dass die US-Luftwaffe ein neues Missionsplanungs- und Operationszentrum in Darwin im Norden Australiens bauen wird.

Ganz neu ist diese enge militärische Verbundenheit zwischen den USA und Australien nicht: Im sogenannten Anzus-Abkommen sichern sich die Länder seit 1951 – ähnlich wie die NATO-Staaten im Nordatlantikvertrag – gegenseitige militärische Unterstützung zu. Außerdem ist Australien Teil der sogenannten „Five Eyes“-Partnerschaft, in der die Geheimdienste von Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien und den USA zusammenarbeiten. Im Zentrum Australiens befindet sich beispielsweise ein von Australien und den USA gemeinsam betriebenes Spionagezentrum namens Pine Gap. Zudem sind stets mehrere Tausend US-Marines in Darwin stationiert.

Atomare U-Boote und B-52-Bomber

Doch seit Australien 2021 das Aukus-Sicherheitsabkommen mit Großbritannien und den USA geschlossen hat, sind die Länder noch enger zusammengerückt. So wird Australien erstmals in den illustren Kreis der Nationen aufgenommen, die Atom-U-Boote erhalten. Außerdem rüstet Australien kräftig auf: Canberra investiert in Tomahawk-Raketen und Himars-Raketenwerfer und auch bei der Entwicklung von Hyperschallraketen will die Regierung voranpreschen.

Auch die USA haben ihre militärische Präsenz in Australien seit dem Aukus-Deal nochmals intensiviert. So wurde im vergangenen Oktober bekannt, dass atomwaffenfähige B-52-Bomber im Norden des Landes stationiert werden sollen. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Tindal, südlich von Darwin gelegen, sollen spezielle Einrichtungen für die großen Flugzeuge entstehen, die eine Reichweite von rund 14.000 Kilometern haben.

„USA aus Ostasien verdrängen“

All dieses Säbelrasseln ist in den Augen von Hugh White, Strategieexperte der Australischen Nationaluniversität in Canberra, jedoch rein „symbolischer Natur“. Selbst der modernisierte Luftwaffenstützpunkt habe in einem Kriegsszenario mit Taiwan „nur geringe operative Auswirkungen“. Der Stützpunkt würde einfach zu weit von China entfernt liegen. Auch der Erwerb der atomgetriebenen U-Boote wird in seinen Augen keinen Unterschied machen: Das militärische Gleichgewicht mit China würden sie nicht wirklich verändern und daher auch „nicht wirklich dazu beitragen, China abzuschrecken“, meint der Experte. Dies liege einfach daran, dass es fast 20 Jahre dauern werde, bis der Aukus-U-Boot-Plan letztendlich umgesetzt sei. Dabei sei die wirkliche Herausforderung, „China in den nächsten fünf bis zehn Jahren abzuschrecken“.

Allerdings würden die australischen Schritte zeigen, dass das Land bereit sei, sich Amerika in einem Krieg mit China anzuschließen. Letzteres betrachtet White als „einen Fehler“, da die US-Politik in seinen Augen nicht funktionieren wird. Auch der Experte Lemahieu ist skeptisch: Auf regionaler Ebene verleihe das Ganze Australien zwar „eine größere Bedeutung und mehr Einfluss“, doch insbesondere in Südostasien falle die Reaktion ambivalenter aus, sagte er. Dort würden viele fürchten, dass ein selbstbewussteres Bündnis zwischen den USA und Australien zur Polarisierung im Indopazifik beitrage.

Dass sich China von der Politik provozieren lässt, dies glaubt White aber genauso wenig, wie dass Peking sich abschrecken lässt. Dies liege daran, dass Chinas Politik bereits festgelegt sei, wie der Strategieexperte meinte. China sei entschlossen, „Amerika aus Ostasien zu verdrängen und seinen Platz als führende Macht in der Region einzunehmen“. Um dieses Ziel zu verfolgen, werde das Land „jede Gelegenheit nutzen“.