Australien/ChinaTodesstrafe für Australier belastet wieder Beziehungen mit Peking

Australien/China / Todesstrafe für Australier belastet wieder Beziehungen mit Peking
Ein Mitglied der chinesischen paramilitärischen Polizei bewacht die australische Botschaft in Peking Foto: Pedro Pardo/AFP

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Gerade blühten die chinesisch-australischen Beziehungen wieder auf, da wird der chinesisch-stämmige Australier und Schriftsteller Yang Hengjun in China zum Tode verurteilt. Ein schockierendes Urteil, aber immerhin mit Hintertür – die Strafe kann nach einer zweijährigen Frist in lebenslange Haft umgewandelt werden. Schickt Peking Canberra damit eine Botschaft?

Als Anfang der Woche die Nachricht kam, dass der australische Schriftsteller und Demokratieaktivist Yang Hengjun in China zum Tode verurteilt worden ist, zeigte Australien sich „entsetzt“. Die australische Außenministerin Penny Wong nannte das Todesurteil – wenn auch „auf Bewährung“ – eine „erschütternde Nachricht für Dr. Yangs Familie“ und bestellte direkt nach der Bekanntgabe den chinesischen Botschafter in Australien ein. Die australische Regierung hatte – seit Yang im Januar 2019 in China in Gewahrsam genommen worden war – versucht, ihn auf diplomatischem Wege wieder freizubekommen. Zwischenzeitlich gab es Hoffnung, als die ebenfalls über mehrere Jahre inhaftierte chinesisch-australische Moderatorin Cheng Lei freikam.

Doch Yangs Fall sei anders, so Benjamin Herscovitch, ein China-Experte der Australian National University in Canberra. Da ist zum einen ein Spionagevorwurf (den Yang abstreitet) – Cheng Lei hatte im Vergleich nur ein Nachrichten-Embargo um wenige Minuten gebrochen. Zum anderen arbeitete Yang früher selbst im chinesischen Außenministerium und in der Staatssicherheit.

Das extreme Strafmaß ist nicht nur auf persönlicher Ebene ein Schlag, es hat auch die chinesisch-australischen Beziehungen erneut auf den Prüfstand gestellt: Es sei „ein starker Anstieg der diplomatischen Spannungen zwischen Australien und China“ zu spüren, sagte Herscovitch. Canberra habe die Verurteilung „scharf kritisiert“ und Peking sei „wahrscheinlich unzufrieden“ mit derart öffentlichen Äußerungen.

Peking: Jahrelange diplomatische Eiszeit

Dabei waren die Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die enge Handelspartner sind, nach einer mehrjährigen diplomatischen Verstimmung gerade wieder dabei, aufzublühen: Denn nachdem Australiens Vorgängerregierungen unter anderem Menschenrechtsverletzungen kritisiert und eine Untersuchung des Ursprungs der Pandemie gefordert hatten, hatte über Jahre eine diplomatische Eiszeit geherrscht. Peking hatte keinen Brief und keinen Telefonanruf aus Australien mehr beantwortet und einen regelrechten Handelskrieg begonnen.

Ein Wandel zum Positiven war erst mit dem Regierungswechsel in Canberra 2022 angestoßen worden. Zwischenzeitliche Handelsbarrieren, mit denen China Australien das Leben schwer machen wollte, wurden wieder gelockert, die inhaftierte Journalistin Cheng Lei wieder auf freien Fuß gesetzt. Im November war Australiens Premierminister Anthony Albanese dann sogar zu Gast in Peking und traf Chinas Präsident Xi Jinping. Das Urteil gegen Yang stelle deswegen „einen Rückschlag im Streben nach mehr zivilen Beziehungen nach über einem Jahr langsamer Besserung dar“, sagte Elena Collinson vom Australia-China Relations Institute an der University of Technology in Sydney.

Steckt eine Einschüchterungstaktik dahinter?

Dass China diese deutlich besseren Beziehungen durch die Todesstrafe für Yang wieder aufs Spiel setzt, sehen viele in Australien als eine Art Einschüchterungstaktik: „Australien hat in den letzten Jahren seine Angst vor der Kommunistischen Partei Chinas verloren“, urteilte der prominente australische Journalist Peter Hartcher. „Jetzt macht sich Peking daran, uns wieder dazu zu bringen, Angst zu haben“, schrieb er in der australischen Tageszeitung Sydney Morning Herald. Noch vor drei Monaten habe man dies mit einem bewusst gefährlichen Marinemanöver versucht und jetzt mit einer „ungewöhnlich harten Strafe für einen australischen Staatsbürger“, der gesundheitlich angeschlagen sei und zwei kleine Söhne habe.

„Peking versucht, die Botschaft zu senden: ‚Wir können etwas wirklich Schlimmes tun‘“, bestätigte auch Feng Chongyi, außerordentlicher Professor für Chinastudien an der University of Technology in Sydney, gegenüber Hartcher. Und: „Sie wollen, dass Australien sich unterwirft.“ Das Todesurteil gegen den Australier sei „ein Warnschuss für jeden, der China herausfordern will“, urteilte Richard McGregor von der australischen Denkfabrik Lowy Institute in einem Artikel für die australische Ausgabe von The Guardian. Und auch die China-Expertin Collinson interpretiert das Verhalten Pekings als „eine klare Botschaft“, dass Peking die Bedingungen für die gegenseitige Zusammenarbeit „diktieren“ wolle.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Trotzdem glaubt Collinson nicht, dass die Beziehungen – wie noch vor einigen Jahren – wieder ganz zum Erliegen kommen. Das sei „unwahrscheinlich“, sagte sie. Letzteres wird sich Australien auch gar nicht erlauben können: Denn laut einem aktuellen Reuters-Bericht hat China im vergangenen Jahr australische Exporte im Wert von 203 Milliarden Australischen Dollar (123 Milliarden Euro) eingekauft. Dies entspricht einem Anstieg von 37 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2019 – also noch vor Ausbruch der Pandemie. Vor allem die chinesischen Importe an Eisenerz haben dazu beigetragen, die Preise für den Rohstoff stabil bei rund 130 US-Dollar pro Tonne zu halten. Dies liegt laut der Agentur weit über den 60 US-Dollar pro Tonne, die die australische Regierung für ihren Haushalt annimmt, ein großer Gewinn für die Steuereinnahmen Canberras und damit innenpolitisch wertvoll.

Deswegen glaubt auch der Experte Herscovitch, dass Canberra – trotz des tragischen Falls von Yang – die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik auf diplomatischer wie wirtschaftlicher Ebene fortführen wird. „Es besteht eine gute Chance, dass Yangs Strafe nach zwei Jahren in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wird“, sagte der China-Kenner. Peking werde den Fall dann aber möglicherweise „als Verhandlungstaktik“ nutzen, um zu bewirken, dass Canberra „Entscheidungen vermeidet, die die chinesische Regierung frustrieren“.