40 Jahre ist der Mann bereits im Hotel Adriatic beschäftigt. Doch geschlossen hat der Verpflegungschef das 650 Betten zählende Hotel selbst zu Zeiten des Kroatienkriegs (1991-1995) nie erlebt: „Selbst damals hatten wir immer Gäste: Für unser Hotel ist diese Krise ein größeres Problem als der Krieg.“
Von Klavierweisen unterlegt, segelt eine Möwe über die leeren Terrassen und die altehrwürdigen Hotelpaläste des mondänen Seebads. „Träumen Sie heute und besuchen Sie Opatija morgen“, so die Corona-Botschaft des Werbefilms. Doch vor allem die Bewohner des Kurorts selbst fiebern der Rückkehr der Touristen entgegen: Deren Zahl ist im April in Kroatien um 99 Prozent geschrumpft.
Noch verlieren sich nur wenige auf den erst seit einer Woche wieder geöffneten Café-Terrassen. Doch während sich bei den Hoteliers am italienischen Westufer der Adria Verzweiflung breitmacht, sehen ihre kroatischen Kollegen einen Hoffnungsschimmer im Tunnel. Der Nachbar Slowenien hat seine Grenzen seit Freitag für alle EU-Bürger geöffnet. Und seit letzter Woche sind auch Kroatiens Grenzen zumindest für Ferienhaus- und Yacht-Besitzer etwas durchlässiger geworden. „Wann kommen die Slowenen?“, titelt ungeduldig die Zeitung Glas Istre: „Alles ist bereit, nur die Gäste fehlen.“
Abgespecktes Programm
Kein Land in der EU ist vom Fremdenverkehr so abhängig wie Kroatien: Ein Viertel des Sozialprodukts wird mit dem Tourismus erwirtschaftet. Am 15. Juni werde das Adriatic nach dreimonatiger Pause wieder die Pforten öffnen, berichtet Lazic erleichtert: „Wir müssen wieder von vorne beginnen und hoffen, zumindest einen Teil der Verluste wettzumachen.“
Eine Digitaluhr zählt an dem stilisierten Kran am Adria-Platz in Rijeka die noch verbleibenden Stunden als Europas Kulturhauptstadt ab. Hell sprühten von angeflexten Stahlträgern die Funken, als das Kulturspektakel am 1. Februar mit einer spektakulären Industrieoper eröffnet wurde. Doch bereits drei Monate später ist die Aufbruchsstimmung in der angeschlagenen Hafenstadt verflogen: In der Viruskrise ist die Hoffnung geplatzt, dass das Jahr zum Beschleuniger der Transformation in eine Kultur- und Tourismusmetropole werden könnte.
Nicht nur wegen des Versammlungsverbots abgesagte Konzerte und Festivals sind der Corona-Krise zum Opfer gefallen. Steuerausfälle und milliardenschwere Hilfspakete für die Wirtschaft zwangen die Stadt und den Staat, die Mittel für das Kulturjahr radikal zu streichen. 59 Mitarbeiter des Organisationskomitees sind im April entlassen worden. In Regie der Kommune soll ein stark abgespecktes Rumpfprogramm über die Bühne gebracht werden.
„Nein, die Leute sind nicht verzweifelt“, versichert am Korzo dennoch der Journalist Voljen Koric: „Alle hoffen, dass zumindest noch etwas von der Saison zu retten ist.“ In der Region habe es seit über zwei Wochen keine neuen Infizierten mehr gegeben: „Im Prinzip ist hier die Viruskrise gelöst. Doch wann die Touristen wiederkommen, hängt auch von der Lage bei den Nachbarn und der Öffnung der Grenzen ab.“
Kein Corona-Fall auf der Insel Vis
Geplatzte Aufträge, fallende Immobilienpreise, misstrauische Banken – leicht sei die Lage für Selbstständige keineswegs, berichtet Koric. Er habe sich in den letzten Wochen eben um die Erdbeer- und Tomatenfelder seiner Eltern gekümmert. Jeder müsse nun überlegen, wie er sich an die neue Situation anpassen könne: „Das, was wir gewöhnt waren und mit dem wir gerechnet haben, ist nicht mehr. Aber es herrscht hier keine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit. Ob es noch dazu kommt, wird man sehen.“
Ein leichter Wind blättert in den Palmwedeln an der Riva von Komiza. Yachten oder Ausflugsboote sind an der Mole keine vertäut: Nur einige Kutter schaukeln im Hafen des beschaulichen Fischerorts auf der Insel Vis. Zwei Monate lang sei die Insel von der Außenwelt völlig abgeschnitten gewesen, erzählt der Zimmervermittler Miroslav Ninkovic: „Wir hatten darum auf Vis bisher keinen Corona-Fall. Niemand durfte auf die Insel kommen. Und man konnte sie nur mit Sondergenehmigung verlassen.“
Cafés und Läden sind wieder geöffnet, allerdings noch keine Touristen nach Komiza gelangt. Alle Reservierungen für die Vorsaison seien storniert worden, so Miroslav: „Aber die Leute halten ihre Reservierungen für Juli und August aufrecht – und warten ab, was passiert.“ Außer der Hoffnung auf die ersten Gäste gebe es aber auch „Ängste“: „Die Eigentümer der Apartments sind meist ältere Menschen. Viele fürchten sich vor dem Virus – und wollen keinen direkten Kontakt mit den Besuchern.“
Doch was passiert, falls das Virus mitten in der Hochsaison auf einer Insel mit tausenden von Touristen auftauchen sollte, vermag der Verwalter auch nicht zu sagen: „Falls sich das Virus im Sommer noch einmal in Kroatien verbreiten und sich der Wahnsinn wiederholen sollte, können wir die ganze Saison vergessen.“
Touristen erst im Juli wieder erwartet
Zumindest die Stühle der Café-Terrassen sind in die Altstadt von Dubrovnik zurückgekehrt. „Das Leben kehrt zurück – auch wenn es noch keine Touristen gibt“, berichtet Nikolina Deranja, die Eigentümerin des Familienhotels „Villa Sigurata“: „Als die Krise begann, war es hier wie nach dem Einschlag einer Atombombe. Man traf niemanden auf der Straße. Wenn man die Fenster öffnete, war die Stille total. Es war einfach nichts zu hören.“
Selbst habe sie ihre Zwangspause dazu genutzt, sich mit dem zu beschäftigen, was sie schon immer tun wollte – der traditionellen dalmatinischen Stickkunst, erzählt die dunkelhaarige Gastronomin. Doch diejenigen, die in ein neues Hotel oder Café investiert hätten und nun ihre Kredite ohne Einkünfte abstottern müssten, plagten nun „große Probleme“: „Der Staat hilft in der Krise viel. Ich hoffe nur, dass sich danach auch die Banken kulant zeigen werden.“
2019 quetschten sich 1,4 Millionen Besucher durch die engen Gassen der „Adriaperle“: Allein 800.000 Tagestouristen landeten die Kreuzfahrtschiffe an. Doch fraglich ist, ob mit der Ankunft der schwimmenden Bettenburgen in dieser Saison in Dubrovnik überhaupt noch zu rechnen ist. Erst im Juli erwarte sie wieder Touristen, sagt Nikolina: „Aber die Saison wird nicht so werden, wie wir es gewohnt sind. Denn Corona hat besonders die Staaten getroffen, aus denen viele unserer Gäste kommen: die USA, Großbritannien, Italien, Frankreich und Japan.“
Kroatien habe mit nur noch einer Handvoll Neuinfizierten pro Tag die Epidemie in den Griff bekommen, sagt Deranja: „Aber wenn sich die Grenzen öffnen, wird sich das Virus wieder ausbreiten. Ich hoffe nur, dass es mit höheren Temperaturen an Kraft verliert.“ Die Stadt habe viel mitgemacht, sei im Kroatienkrieg selbst beschossen worden, sagt Nikolina beim Abschied: „Ich bin Optimistin. Wir werden auch diese Krise überstehen.“
(Auch unserem in Belgrad lebenden Korrespondent Thomas Roser ist derzeit wegen der geschlossenen serbisch-kroatischen Grenze die Reise an die Adria verwehrt. Seinen Text hat er darum mithilfe von Telefoninterviews und dem Augenschein bei früheren Kroatien-Reisen abgefasst.)
De Maart
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