Samstag13. Dezember 2025

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Corona-PandemieZweite Welle trifft Australien: Was lief in Melbourne schief?

Corona-Pandemie / Zweite Welle trifft Australien: Was lief in Melbourne schief?
Menschen warten in der Melbourner Flinders Street auf die Tram Foto: AFP/William West

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Australien galt bisher neben Neuseeland als Musterschüler der Corona-Krise. Das Virus schien so gut wie eliminiert. Doch während Neuseeland weiterhin Corona-frei ist, erlebt Australien die zweite Welle. Problemkind ist Melbourne, das heute mehr Neuinfektionen als noch im März oder April verzeichnet. Doch aus den Fehlern der Metropole lassen sich Lehren ziehen.

Seit Ende dieser Woche müssen Melburnians Maske tragen, seit zwei Wochen ist die Stadt wieder im Lockdown. Doch die Zahl der Neuinfektionen ist nach wie vor hoch: 403 neue Krankheitsfälle, fünf Tote – so lautete die Bilanz im Bundesstaat Victoria, in dem Melbourne liegt, am gestrigen Donnerstag. Am Vortag waren es sogar 484 Fälle gewesen. So viele Neuinfektionen meldete die zweitgrößte Stadt Australiens nicht einmal zu Corona-Hochzeiten im März oder April.

Eigentlich galt Australien beinahe schon als Corona-frei – dank recht stringenter Maßnahmen gleich zu Beginn der Krise. Denn seit dem 20. März lässt das Land keine ausländischen Besucher mehr auf den Kontinent. Auch im Inland haben die meisten Bundesstaaten ihre Grenzen geschlossen. Am 21. März wurden soziale Distanzierungsregeln eingeführt, und die Landesregierungen begannen, nicht-essenzielle Dienstleistungen einzuschränken – wenn auch nicht ganz so streng, wie Neuseeland dies tat.

Doch mit Beginn der Lockerungen stiegen plötzlich auch die Fallzahlen wieder an. Diese „zweite“ Welle traf vor allem Melbourne mit Wucht, während Sydney es bisher schaffte, Cluster mit aggressiver Kontaktverfolgung unter Kontrolle zu halten. Doch was lief in Melbourne schief – einer Stadt, in der sich die meisten bereits wieder sicher fühlten?

Fehler beim Quarantäne-Prozess

„Der Anstieg in Victoria zeigt, wie leicht es zu Ausbrüchen kommt, wenn wir nicht weiter körperliche Distanz und gute Hygiene üben und bei Krankheit zu Hause bleiben“, kommentierte Alison McMillan vom australischen Gesundheitsministerium. Fehler sind jedoch nicht nur aus Nachlässigkeit oder einem falschen Sicherheitsgefühl entstanden oder weil es in Melbourne gerade winterliche Temperaturen hat. Experten haben drei Problembereiche gefunden, die sich durchaus hätten vermeiden lassen.

Obwohl Heimkehrer nach Australien zwei Wochen in Hotel-Quarantäne verbringen müssen, bevor sie sich frei im Land bewegen dürfen, ist genau dieses System, das Australien eigentlich vor dem Virus schützen sollte, in Melbourne zum Ursprung vieler Infektionen geworden. Denn Hotelangestellte und Sicherheitspersonal verstießen gegen die Regeln und steckten sich bei den Reisenden an. So fand ein Bericht, der die Mutation von Covid-19 in Victoria nachzuvollziehen versuchte, heraus, dass erkrankte Hotelmitarbeiter die Ansteckungsherde von Fällen waren, die später in der Stadt gefunden wurden.

Private Sicherheitsfirmen, die mit dem Betrieb der staatlichen Quarantäne beauftragt wurden, stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchungen. Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen sollen sich beispielsweise Zigarettenanzünder geteilt oder Fahrgemeinschaften gebildet haben. Lokale Medien berichteten auch über Liebschaften zwischen dem Wachpersonal und unter Quarantäne gestellten Reisenden. Im benachbarten Bundesstaat New South Wales, in dem Sydney liegt, hatte man statt des privaten Sicherheitspersonals Vertreter der Polizei eingesetzt, um die Quarantäne zu überwachen. Dies scheint nach derzeitigen Erkenntnissen besser funktioniert zu haben.

Unentdeckte Sekundärfälle

Anfang Mai – als in Australien noch Ausgangssperre herrschte – meldeten die Medien einen Viruscluster unter Arbeitern eines Schlachthofs im Westen Melbournes. Etwa 111 Fälle wurden schließlich mit dem Betrieb in Verbindung gebracht. Als die Beschränkungen einen Monat später gelockert wurden und die Leute wieder Freunde und Familie besuchen und beispielsweise wieder in Restaurants essen durften, gab es jedoch nach Meinung von Experten noch unentdeckte Sekundärfälle in der Gesellschaft.

Diese Sekundärfälle haben das Virus vermutlich unbemerkt weiter verteilt. „Der Infektionsherd war in der Bevölkerung, nachdem es noch genug Fälle gab, als sich die Vorsichtsmaßnahmen entspannten“, sagte John Mathews, ein Gesundheitsexperte der Universität von Melbourne, gegenüber der BBC.

Melbourne ist eines der multikulturellen Zentren Australiens. In fast 35 Prozent der Haushalte wird eine andere Sprache als Englisch gesprochen. Vor allem im Norden und Westen Melbournes sind nicht-englischsprachige Gemeinden angesiedelt. Letztere wurden jedoch in den vergangenen Wochen zu Covid-19-Hotspots.

Gemeindeführer haben im Nachhinein argumentiert, dass die Kommunikation von Gesundheitsanweisungen für die nicht-englischsprachigen Gemeinden unzureichend gewesen sei und viele aufgrund der sich rasch ändernden Beschränkungen im Mai verwirrt waren.