EM-Kolumne „Extrawurst“Der Benelux-Typ

EM-Kolumne „Extrawurst“ / Der Benelux-Typ
So mancher Fan findet seine Mannschaft früher, ein anderer erst später Foto: AFP/Ina Fassbender; Montage: Tageblatt

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Was mein alle paar Jahre aufflammendes Fanverhalten anbelangt, bin ich eigentlich ziemlich konstant: Seit 1974, als ein paar romantisch-verwegene „Hollänner“ mit Langmähnen (verewigt im Kurzhosenpantheon Panini) den Beautiful-Loser-Mythos zementierten und ich mein Knabenzimmer im tulpigsten Orange anstreichen ließ, um es genau zu sagen. 36 Jahre hat’s gehalten. 2010 war dann damit abrupt Schluss. Im WM-Finale 2010, um es genau zu sagen. Die „Hollänner“ übten sich in fiesfeigen Blutgrätschen und rumpeldummen Frustfouls, und außerdem waren sie gefühlt alle bis unter die Ohrläppchen martialisch tätowiert und trugen Skinhead-Glatzen. Ade Romantik. Nigel de Jongs Kung-Fu-Tritt in die Brust von Xabi Alonso war wohl der entscheidende „déclic“. Nur Konfuzius Cantona hatte meinen Segen, meine uneingeschränkte Bewunderung, was Kung-Fu-Technik anging. Weil er ja einem rechten Hooligan vor laufenden Kameras die Fresse poliert hatte und sich dafür nicht einmal zu einer halbherzigen Entschuldigung durchringen wollte. Aber Xabi Alonso? Der Filigrantechniker? Wat is dit voor onzin?

Dann kamen die Belgier an die Reihe, die zweite Nation aus dem Benelux-Spektrum. Ihnen hielt ich fortan die Treue. Es sah vielversprechend aus. Allein, der Beautiful-Loser-Mythos war längst mit der Schelde nach Belgien übergeschwappt und trieb fortan dort sein Unwesen. Fit und flott hechteten Wallonen und Flamen in seltener Eintracht über den Rasen, es war das reinste „What if“. Aber es gab einen Prellbock, und der hieß wie immer: „Yes, but.“ Also weiter nix. Voetbal totaal, goldene Generation – und was hat man davon, am Ende des Tages? Nebbich! Und schließlich, weil ja Portugal ein Teil Luxemburgs und somit des Benelux ist, drücke ich seither den Nachfahren Vasco da Gamas die Daumen. Noch während ich den Belgiern augenscheinlich die Treue hielt, schielte ich judasmäßig bereits Richtung Ersatzbefriedigung. Als Portugal im EM-Finale 2016 früh im Spiel ohne Ronaldo weiterspielen musste, ging ich spazieren. Zu früh, wie wir heute wissen. Machen Fans so etwas, einfach abhauen? Doppelte Spielchen spielen? Schönwetterfans vielleicht, aber keine echten. Die leiden weiter. Nur bin ich halt der Benelux-Typ: Drei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.