Kein Kapitän in stürmischer See

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Nur wenige Sekunden haben zum erneuten Tour-de-Suisse-Sieg gefehlt, doch unmittelbar nach der Ankunft am Sonntag in Sörenberg trat Frank Schleck brutal auf die Euphoriebremse. Deutlicher hätten seine Worte dabei nicht sein können.

„Ech si stolz op d’Equipe … ech si stolz op mech …“, sagte Frank Schleck nach der Tour de Suisse am Mikrofon von RTL Télé Lëtzebuerg. Und dann zählte er auf, was er in diesem Jahr schon alles so gefahren ist. Da wären u.a. die Ruta del Sol, Paris-Nice, das „Critérium International“, die Baskenland-Rundfahrt, die Ardennenklassiker, zwei Wochen Giro bis zu seiner Aufgabe, die Tour de Luxembourg und nun die Tour de Suisse.

„Insgesamt komme ich auf 55 Renntage“, meinte Schleck. Zum Vergleich: Cadel Evans saß 2012 insgesamt 30 Tage im Rennsattel. „An elo soll ech als Leader an den Tour?“, fragte Frank Schleck am Sonntag. Und lieferte auch gleich die Antwort mit: „Et muss een och mol mat de Féiss um Buedem bleiwen.“ Was in anderen Worten heißt: „Erwartet ja nicht zu viel von mir.“ „Eng Kéier knuppt et, irgendwann geet et och net méi.“

Dabei hatte er bei der Tour de Suisse seine momentan gute Form unter Beweis gestellt und damit Hoffnungen bei den Luxemburger Fans genährt, dass es trotz des Forfaits von Bruder Andy eine erfolgreiche Grande Boucle geben könnte. Auch Frank Schlecks Leistung beim Einzelzeitfahren in der Schweiz war durchaus ein Grund zum Optimismus im Hinblick auf die Tour de France mit ihren vielen Zeitfahrkilometern.

Nach dem Ausfall von Tour-Kapitän Andy Schleck scheint Bruder Frank demnach nicht bereit, die Leaderrolle im RadioShack-Nissan-Trek-Team bei der Grande Boucle zu übernehmen.

Angst?

Für den Fall, dass er das trotzdem müsste, baute er am Sonntag in Sörenberg vor: „Ich will nicht an vorderster Front in die Tour und dann täglich erklären müssen, warum es nicht geklappt hat.“ Fürchtet Frank Schleck sich vor dem, was da auf ihn zukommt? Hat er Angst vor einer persönlichen „Défaillance“ oder einem kollektiven Fiasko? Ist ihm das positive Denken abhandengekommen? Oder schätzt er seine Chancen in Anbetracht des Parcours nur realistisch ein?

„Die Hoffnungen an einen Sieg von Frank zu knüpfen, erscheint mir verrückt“, sagte jedenfalls Kim Andersen der dänischen Tageszeitung Politiken.

Dabei steht das RadioShack-Nissan-Trek-Team bei der Tour de France wegen der enttäuschenden Resultate 2012 mächtig unter Druck. Wenig hilfreich ist da ebenfalls die Dopinganklage gegen Teamchef Johan Bruyneel. Der Belgier riskiert von der diesjährigen Tour ausgeschlossen zu werden. Unter Umständen könnte der deutsche Routinier Andreas Klöden die Führungsposition übernehmen. Der 36-Jährige ließ bei der Schweiz-Rundfahrt allerdings Schwächen erkennen. Der zunächst ausgebootete und gestern dann überraschend doch nominierte US-Amerikaner Chris Horner scheint in Anbetracht seiner diesjährigen Resultate seinen Leistungszenit endgültig überschritten zu haben. Gut möglich demnach, dass sich der RNT-Kapitän der diesjährigen Tour erst nach einigen Renntagen herauskristallisieren wird.