Olympische SpieleSarah De Nutte kritisiert FLTT-Entscheidung: „Sportlich und professionell ist es nicht nachzuvollziehen“

Olympische Spiele / Sarah De Nutte kritisiert FLTT-Entscheidung: „Sportlich und professionell ist es nicht nachzuvollziehen“
Noch nie war Sarah De Nutte so nah an einem Erfolg gegen die Portugiesin dran Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Fast zehn Minuten lang hielt Sarah De Nutte dem Druck in der Mixed-Zone stand, dann wurde es höchst emotional: Die Tischtennisspielerin kritisierte ihren Verband für dessen Haltung gegenüber ihrem Privatcoach Peter Teglas – selbst ehemaliger Coach der FLTT. Denn während der Ungar in den Tribünen saß, eilte Nationaltrainer Tommy Danielsson ohne Pause von einem Stuhl zum nächsten.

Es war schon höchst kurios und unglücklich zugleich. Die drei Luxemburger Tischtennisspieler waren allesamt binnen kürzester Zeit am späten Samstagabend im Einsatz. Der Zeitplan war mehr als nur straff – und schon nach dem ersten Duell (ohne FLTT-Beteiligung) stand fest, dass es an den einzelnen Tischen mehrere Verspätungen geben würde. Verbandscoach Tommy Danielsson erklärte später, dass er eine Sondergenehmigung erhalten hatte, die ihm es ermöglicht hatte, in der Halle zu bleiben: Im Normalfall hätte er das Innere der Arena nach jedem Spiel verlassen und wieder durch den Haupteingang zu den Tischen zurückkehren müssen. Denn er war als einziger Trainer für das Trio zuständig – und während drei Stunden unter Hochspannung.

Sarah De Nutte fand klare Worte, was diese Programmierung anging: „Ich finde es schade, dass unsere Ansetzungen so nah beieinander lagen und kann das von der Organisation her auch nicht wirklich nachvollziehen. Wir hatten nur einen einzigen Trainer, der uns coachen durfte. Die Spiele dann so anzusetzen, ist nicht okay. Tommy lief hin und her und machte, was er konnte.“ Für sie selbst begann die unangenehme Situation nämlich schon lange vor dem Spiel. „In der Aufruf-Halle warteten alle mit Trainer und Physiotherapeuten, nur ich war eine Viertelstunde vor dem Spiel ganz alleine.“ Danielsson saß zu diesem Zeitpunkt nämlich noch immer hinter dem Tisch von Luka Mladenovic, dessen Partie mit 20 Minuten Verspätung begonnen hatte. Sie fuhr fort: „Vor allem gibt es in der ersten Runde vier verschiedene Zeitfenster, aber die Organisatoren haben uns alle in das gleiche gesteckt. Xia Lian musste ihr Spiel ebenfalls ohne Tommy beginnen … Das darf es in meinen Augen nicht geben, wenn es vier unterschiedliche Ansetzungs-Sessions gibt.“

Und eigentlich hätte man vielleicht auch eine andere Möglichkeit in Erwägung ziehen können … Denn ihr persönlicher, langjähriger Trainer Peter Teglas (der auch beim Düdelinger Verein im Amt ist) verfolgte den Abend von den Tribünen aus. Im hellblauen COSL-Anzug und mit einer Akkreditierung um den Hals. „Er bekam dank des COSL die Möglichkeit – und dafür bin ich sehr dankbar –, mit nach Paris reisen zu dürften. Theoretisch hätte er auch eine Genehmigung als Coach bekommen können … Deshalb ist es so schade, wie das gelaufen ist. Wir hatten heute (am Samstag) drei Spiele hintereinander und zwei von uns mussten ihr Duell ohne Trainer beginnen … Es ist nicht nachvollziehbar.“ 

An die Abmachung gehalten

Dass Teglas am besagten Abend aber nur eine Zaungast-Rolle hatte, beruhte auf einer Entscheidung der FLTT, nach der sich auch Missionschef Raymond Conzemius und sein Team gerichtet hatten: „Wir haben mit dem Verband abgemacht, dass Peter mitkommt, aber das Coaching über Tommy laufen würde. An solche Abmachungen sollte man sich dann auch halten, auch wenn es wohl sicherlich unterschiedliche Ansichten gibt. Für Sarah hatte sich ja nichts geändert, da Tommy ihr für das ganze Spiel zur Verfügung stand. Vielmehr war es Xia Lian, die alleine beginnen musste“, gab dieser nach dem intensiven Abend zu verstehen.

Eingemischt hat sich Teglas in die Personaldebatte nicht. „Es war schwer, von oben zuzuschauen, ohne einzugreifen. Wir haben aber vor dem Spiel viel geredet und gemeinsam die Videoanalyse gemacht. Wenn ein anderer Trainer auf dem Stuhl sitzt, will man ja auch nichts sagen, weil er es vielleicht anders ausdrücken würde.“ Er fügte hinzu: „Wir hatten auch nicht gedacht, dass alle drei an einem Abend spielen würden.“

Meine Frau hat sich nach mir umgesehen und gefragt, ‚Tommy wo bist du?’, als es losgehen sollte, denn ich bin immer da, wenn sie spielt. Da wurde sie ein bisschen unruhig.

Tommy Danielsson, FLTT-Trainer

Ähnlich formulierte es Tommy Danielsson dann nach seinem Spießrutenlauf. „Es ist dumm gelaufen. Wenn ich jedes Mal hätte rauslaufen müssen, hätte ich noch weitere fünf Minuten bei jedem Spiel verloren. Meine Frau hat sich nach mir umgesehen und gefragt, ‚Tommy wo bist du?’, als es losgehen sollte, denn ich bin immer da, wenn sie spielt. Da wurde sie ein bisschen unruhig.“ Am Ende hatte diese mit ihren 61 Jahren ein weiteres Kapitel Tischtennishistorie geschrieben. „Ob es die optimale Lösung war, weiß man nicht, aber es war nun einmal so festgehalten worden. Ich mache meine Arbeit“, sagte er und fügte erklärend hinzu: „Ich habe Sarah zu den Olympischen Spielen gebracht und das mit Luka seit Januar geschafft.“

Auf ein Umdenken gehofft

De Nutte, die an diesem Abend ihr bislang bestes Ergebnis der Karriere gegen die Portugiesin Jieni Shao erzielt hatte, hätte sich trotzdem mehr Flexibilität und Verständnis von der FLTT gewünscht. „Als wir in Paris ankamen, wusste ich von dieser Entscheidung. Aber es ist nicht nachvollziehen. Ich hatte gehofft, dass es noch ein Umdenken geben würde, als bekannt wurde, dass wir alle drei nacheinander antreten würden. Vielleicht hätte ja dann doch jemand sagen können: Das wird eng. Ich hatte eine kleine Hoffnung. Aber es kam nichts. Dabei sind wir ein Land und keine Gegner – und sollten eigentlich zusehen, das Beste für alle herauszuholen.“ 

Aber ich kann stolz sein, dass ich von verschiedenen Seiten – und damit meine ich nicht das COSL, die Armee oder beispielsweise das LIHPS – manchmal nicht das Gefühl hatte, voll unterstützt zu werden. Das war die größte Herausforderung. Da bin ich wirklich stolz, weitergemacht zu haben und es geschafft zu haben.

Sarah De Nutte

Auf eine konkrete Erklärung für die Haltung der FLTT wartet die Sportlerin eigenen Aussagen zufolge noch immer: „Es geht mir nicht um persönliche Gefallen. Vielmehr ist es sportlich und professionell nicht verständlich. Peter hat alles gegeben, damit ich es nach Tokio und Paris schaffe. Ich finde es schade, dass ich das hier dann nicht mit ihm teilen konnte.“

Der 31-Jährigen bleibt jetzt der Blick in die Zukunft. Die Sommerspiele sind aus persönlicher Sicht beendet, nun will sie das Team Lëtzebuerg unterstützen. Auf die Frage, was sie aus ihrer zweiten Olympia-Teilnahme mitnehme, meinte De Nutte: „Ich muss versuchen, stolz auf mich zu sein. Nach einer Niederlage ist das schwer zu sagen. Aber ich kann stolz sein, dass ich von verschiedenen Seiten – und damit meine ich nicht das COSL, die Armee oder beispielsweise des LIHPS – manchmal nicht das Gefühl hatte, voll unterstützt zu werden. Das war die größte Herausforderung.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Da bin ich wirklich stolz, weitergemacht zu haben und es geschafft zu haben.“

Ni schreibt Tischtennis-Geschichte

Ni Xia Lian war die wohl gefragteste Interviewpartnerin der Tischtennishalle. Den internationalen Medien war der Rekord natürlich nicht entgangen: Die Luxemburgerin ist die erste Frau, die in diesem Alter – 61 Jahre – einen Sieg bei Olympischen Spielen feiern konnte. Nach ihrem Erfolg gegen die Türkin Sibel Altinkaya (TUR/WRL-92.) wartet am Montag allerdings eine Herkulesaufgabe gegen die Nummer eins der Welt, Yingsha Sun aus China. Ehemann und Coach Tommy Danielsson verriet am Sonntag, dass es bis 4.30 Uhr in der Nacht gedauert hatte, ehe Ni zur Ruhe gekommen war. „Selbst mit so viel Erfahrung ist die Aufregung normal. Wir versuchen deshalb, den Sonntag so gemütlich wie möglich zu gestalten. Es geht jetzt nicht um Technik, sondern um Physiotherapie und mentale Vorbereitung. Es werden Millionen Menschen dieses Duell am Fernseher verfolgen und die Hälfte davon wünscht sich einen Sieg von Xia Lian.“
Luka Mladenovic hatte der sportliche Auftakt an diesem Abend gehört. Doch der große Coup gegen den favorisierten Dänen Jonathan Groth blieb bei seiner Olympia-Premiere verwehrt. Wie sich herausstellte, hätte der Luxemburger seinen Aufritt fast verpasst (siehe S. 17). Dabei sah es bei zwei Satzbällen eigentlich nach dem perfekten Start aus. Für den 25-Jährigen sind die Sommerspiele nach dem 0:4 beendet. Auch Sarah De Nutte musste sich ihrer Gegnerin Jieni Shao (POR) beugen. Sie unterlag 2:4. Die Spielberichte der beiden Duelle finden Sie auf www.tageblatt.lu.