BogenschießenZum Ende seiner Profilaufbahn ist Pit Klein ein kleines Wunder gelungen

Bogenschießen / Zum Ende seiner Profilaufbahn ist Pit Klein ein kleines Wunder gelungen
Pit Klein möchte den Wettkampf in Paris genießen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der erste Sportler des Team Lëtzebuerg wird seinen olympischen Wettkampf bereits vor der Eröffnungsfeier beginnen. Bogenschütze Pit Klein wird am Donnerstag die Qualifikation bestreiten. Dass er am 25. Juli in Paris vor den Scheiben stehen würde, damit hatte der 27-Jährige, der seine Karriere als Profisportler nach Olympia beenden wird, selbst schon gar nicht mehr gerechnet. 

Es ist ein idyllischer Ort, mitten in der Natur, weg vom alltäglichen Trubel der Minettemetropole. Ein Ort, an dem man auch einmal so richtig abschalten und den Kopf freikriegen kann. Als das Tageblatt Pit Klein auf dem Trainingsgelände der Bouschéisser Esch im Bourgronn besucht, hätte es eigentlich keinen besseren Platz geben können, um auf die letzten Monate zurückzuschauen. Monate, die für den 27-Jährigen einer Achterbahn der Gefühle gleichkamen und in denen sich der große Traum, die Olympischen Spiele in Paris, in letzter Sekunde doch noch erfüllte. „Rückblickend würde ich sagen, dass es schon ein kleines Wunder ist“, gibt der Recurve-Schütze schmunzelnd zu. „Ich habe zwar nie aufgegeben, doch die Wahrscheinlichkeit war zum Schluss einfach so klein, dass ich ehrlich gesagt selbst nicht mehr damit gerechnet hatte.“ 

Es war der Traum von Olympia, der Pit Klein im Jahr 2017 dazu bewegte, aus seinem großen Hobby seinen Beruf zu machen und sich der Sportsektion der Armee anzuschließen. In den folgenden Jahren sollte dem inzwischen 27-Jährigen, dessen sportlicher Höhepunkt zweifelsohne Mannschaftsbronze bei der EM 2018 im polnischen Legnica war, jedoch nie das absolute Topresultat im Einzel gelingen. Das Jahr 2024 spiegelt die Profilaufbahn des Pit Klein eigentlich perfekt wider. Denn auch 2024 lief es zuerst nicht wirklich gut. Vorläufiger Tiefpunkt waren der Weltcup im April in Schanghai, als der Recurve-Schütze schon in der Qualifikation scheiterte, und das Olympia-Quotenturnier im Mai in Essen, als Klein in seinem ersten Duell gegen den Schweizer Félix Möckli verlor. Zu diesem Zeitpunkt war Olympia in ganz weite Ferne gerückt.

Wichtiger Trainerwechsel

Doch der Trainerwechsel, den er vor 18 Monaten getätigt hatte, war nicht umsonst, wie sich in den folgenden Wochen immer mehr herausstellen sollte. Dass sich Pit Klein dazu entschieden hatte, vor dem wichtigen Olympia-Jahr mit dem Italiener Filippo Clini zu arbeiten, sollte sich nämlich noch als goldrichtige Entscheidung herausstellen. „Er hat mir einen Weg gezeigt, wie ich mir selbst und meiner Technik so vertrauen kann, dass ich mir keine Fragen mehr stelle. Er versteht es, im richtigen Moment das zu sagen, was man braucht, damit man die Leistung abrufen kann.“ Ein Beispiel hat der Bogenschütze dann auch direkt parat, denn beim zweiten Quotenturnier in Antalya im Juni hatte sein usbekischer Gegner ihn komplett auf dem falschen Fuß erwischt. „Er hatte die Wahl, als Erster zu schießen, weil er in der Qualifikation vor mir lag, doch er hat das an mich weitergegeben. Das kam unerwartet.“ Und als der Schiedsrichter sagte, dass der Luxemburger anfangen würde, dann sein Gegner dran sei und fragte, ob beide bereit seien, gingen bei Klein im Kopf die Alarmglocken an: „Ich schaute Filippo an und sagte, ‚nein’.“ Doch der Trainer wusste seinen Schützling zu beruhigen. „Er meinte, geh dahin, du hast fünf Sekunden Zeit, geh einfach einen Schuss im Kopf durch und dann klappt das. Und ich ging dahin und boom!, eine Zehn.“

Das Duell gegen den Usbeken Sadikov, großer Favorit dieses Quotenturniers, ging zwar im Viertelfinale mit 1:7 verloren, doch der FLTA-Schütze hatte während dieses Turniers eine seiner bisher besten Leistungen abgerufen. Umso bitterer die Tatsache, dass Klein ein Ticket für Paris als Achter knapp verpasst hatte, denn nur die besten fünf durften für Olympia planen. Doch wie viel Selbstvertrauen der Sportsoldat in diesen Juni-Wochen getankt hatte, wurde schlussendlich beim Weltcup wenige Tage später deutlich. Denn mit Brady Ellison schlug Pit Klein in der K.o.-Runde einen der absoluten Weltklasseschützen, der nicht nur Weltmeister, sondern auch Weltrekordler ist. Anschließend gelang es ihm, mit dem Franzosen Jean-Charles Valladont einen weiteren Schützen aus den Top 15 der Welt zu besiegen. Der Luxemburger holte mit Platz neun sein bestes Ergebnis bei einem Weltcup und machte dadurch einen solchen Sprung in der Weltrangliste, dass Olympia sicher war. 

Eine neue Karriere 

Damit geht der große Traum von Pit Klein zum Abschluss seiner Profilaufbahn doch noch in Erfüllung. Nach Olympia wird er sich nämlich beruflich umorientieren, seine Ausbildung zum Unteroffizier in der Armee beginnen und sich vom Elitesport verabschieden. Die Examen schrieb er kurioserweise genau zu dem Zeitpunkt, als auch die Olympiateilnahme offiziell wurde. Es ist eine Entscheidung, die er bereits früher im Jahr getroffen hatte und keinesfalls bereut. „Ich glaube, ein Grund, warum es in dieser Saison besser lief, war auch, dass ich nicht in so einer ‚Dead-End-Situation’ war, in der ich nicht weiß, was danach kommt. Das hat mir geholfen, um bei Turnieren im Kopf freier zu sein.“

Ich habe gelernt, das Negative so zu drehen, dass es am Ende positiv wird

Pit Klein

In Paris wird sich Pit Klein einmal mehr auf Filippo Clini verlassen können, der inzwischen ebenfalls luxemburgischer Nationaltrainer ist, und da denkt der 27-Jährige etwas nostalgisch daran zurück, wie er den Italiener vor anderthalb Jahren quasi in purer Verzweiflung angerufen hatte, weil er keinen Weg mehr wusste, das Ziel Olympia aber noch immer vor Augen hatte. „Das erste Mal, als er nach Luxemburg kam, habe ich ihm die Frage gestellt: ‚Glaubst du, wenn wir jetzt anfangen und wir es bis zum Schluss durchziehen, reicht es?’ Er meinte: ‚Es wird sicherlich kein einfacher Weg, doch alles ist möglich.’“ Gemeinsam haben beide eine emotionale Reise hinter sich. Und so ist für das Duo vor allem die Art und Weise, wie die Qualifikation doch noch zustande gekommen ist, etwas ganz Besonderes. „In dieser Saison gab es Sachen, die nicht wirklich schön waren. Doch ohne all das hätte ich es am Ende nicht geschafft. Ich habe gelernt, das Negative so zu drehen, dass es am Ende positiv wird.“ Denn gerade weil Pit Klein etwa beim Quotenturnier in Essen große Probleme hatte und nach Lösungen suchte, ist ihm überhaupt erst aufgefallen, dass seine Pfeile kleine Risse hatten. So konnte er diese gerade noch rechtzeitig für den letzten Weltcup wechseln. „Am Ende ist einfach alles so zusammengekommen, wie es sollte.“

Paris genießen

Und so möchte der FLTA-Schütze das Turnier in Paris vor allem genießen: „Ich habe eine harte Saison hinter mir und es war nicht einfach, teilweise gab es Momente, die nur wenig Spaß gemacht haben, weil einfach der Drang da war, gut schießen zu müssen. Olympia ist eine ganz neue Situation, doch ich gehe dahin mit dem Gedanken: Egal, was passiert, ich habe meinen Job gemacht, habe es bis hierhin geschafft.“ Die Pfeile mit einer gewissen Gelassenheit schießen können und Spaß haben, dort zu stehen, so will Klein bei Olympia antreten.

Auch wenn nach Olympia die Profilaufbahn endet, so will Pit Klein seinem Sport aber nicht komplett den Rücken kehren. „Es bedeutet ja nicht, dass ich ganz aufhöre und nicht doch vielleicht noch weiter im Nationalkader schießen werde. Es sind einfach die Prioritäten, die sich in Zukunft ändern werden.“ Wie intensiv er in den nächsten Jahren weiter trainieren wird, will er dann auch ganz von seiner neuen Karriere abhängig machen. Ein Hobby wird das Bogenschießen somit auf alle Fälle bleiben und so will Pit Klein auch Los Angeles 2028 nicht komplett ausschließen. „Ich sage nicht, dass ich es nicht probieren möchte. Doch so weit denke ich im Moment nicht.“ Fest steht, dass für den 27-Jährigen nach den Olympischen Spielen ein neuer Abschnitt in seinem Leben beginnen wird.


Der besondere Fan

Als Pit Klein auf sein schönstes Erlebnis in seiner Karriere als Bogenschütze zurückblickt, steht neben Mannschaftsbronze bei der EM 2018 ein weiteres Turnier ganz oben in der Liste. Es war die Weltmeisterschaft 2015 in Kopenhagen. Dies aber nicht wegen des geteilten 33. Rangs, den er dort belegte, sondern weil er hier Mariya Shkolna kennengelernt hat. Der Ausgang ist bekannt: Das Paar ist inzwischen verheiratet, die gebürtige Ukrainerin besitzt den luxemburgischen Pass und schießt sehr erfolgreich für die FLTA. Dass seine Ehefrau auf seinem Weg nach Paris eine wichtige Rolle spielte, betont der 27-Jährige immer wieder. „Wir stehen jeden Tag gemeinsam beim Training. Wenn Filippo nicht da ist, ist sie die Brücke zwischen mir und ihm, um visuell Sachen zu erkennen und diese an ihn weiterzugeben. Es macht einen bei Turnieren einfach ruhiger, eine Person zu sehen, die in der Tribüne sitzt, ein Lachen im Gesicht hat, das man jeden Tag sieht und einen sich besser fühlen lässt.“ 

So ist klar, dass es sich Mariya Shkolna nicht nehmen lässt, ihren Ehemann bei den Matches vor Ort in Paris anzufeuern. „Es ist unbeschreiblich zu sehen, wie viel Arbeit er in den letzten acht Jahren investiert und wie er sich dann auf den letzten Drücker qualifiziert hat“, erklärt die Compound-Schützin, die während des Quotenturniers in Antalya sogar ihr eigenes Training sausen ließ, um ihren Partner anzufeuern, und beim anschließenden Weltcup in der Tribüne fleißig mitrechnete. „Ich glaube, ich war nach dem Quotenturnier verärgerter als er, dass es nicht gereicht hat. Beim Weltcup bin ich dann vor Freude laut schreiend herumgesprungen“, erinnert sie sich lachend zurück. „Für mich ist es wirklich stressiger, wenn er schießt, als wenn ich selbst vor den Scheiben stehe.“


39

Wie stark das Jahr 2024 von Pit Klein war, wird alleine schon durch einen Blick in die Weltrangliste deutlich. Derzeit (Stand 15. Juli) belegt der Recurve-Schütze hier den 39. Rang, es ist die beste Platzierung, die Klein in seiner Karriere jemals aufweisen konnte. Vor den beiden entscheidenden Turnieren in Antalya im Juni war es Platz 59, zu Beginn des Jahres sogar nur Position 135.


Bogenschießen bei Olympia

Bei Olympischen Spielen gibt es nur einen Bogen, der im Programm ist, der Recurve-Bogen. Aus diesem Grund kamen die erfolgreichen Compound-Schützen der FLTA, Mariya Shkolna und Gilles Seywert, für Paris gar nicht erst in Frage. Einziger Teilnehmer ist damit Pit Klein, der bereits am 25. Juli in der Qualifikation im Einsatz sein wird. In dieser schießen die Teilnehmer insgesamt 72 Pfeile auf die Scheibe, die 70 Meter entfernt steht. Insgesamt können also 720 Punkte erzielt werden. Der Weltrekord liegt übrigens bei 702, diesen stellte der US-Amerikaner Brady Ellison im Jahr 2019 auf. Die Rangliste der Qualifikation entscheidet über die Paarungen in den danach folgenden direkten Duellen. Die erste Runde, das 1/32-Finale, ist in Paris auf drei Tage verteilt. Pit Klein könnte also am 30. Juli, 31. Juli oder am 1. August hier im Einsatz sein.